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Trump war einer Verurteilung noch nie so nahe

Sonderermittler Smith erhebt erneut Anklage gegen den Ex-Präsidenten. Doch je dünner die Luft juristisch für Trump wird, desto enger stehen seine Anhänger zusammen.
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump angeklagt
Foto: IMAGO/Brian Cahn (www.imago-images.de) | Time to say goodbye? Für Donald Trump spielt die Musik wohl noch weiter, auch wenn ihm die Justiz immer mehr das Wasser abgräbt.

Im Januar 2016 sagte Donald Trump, damals noch Bewerber für die republikanische Präsidentschaftskandidatur, einen denkwürdigen Satz: Er könne jemanden auf offener Straße erschießen und würde trotzdem keine Wählerstimmen verlieren. Ganz so weit ist es mehr als sieben Jahre später zwar nicht gekommen. Doch die Kernbotschaft dieser Aussage trifft durchaus zu: Donald Trump konnte und kann sich ziemlich viel erlauben, was andere Amtsträger zu anderen Zeiten ruiniert hätte – und büßt trotzdem nicht an Popularität ein. 

Im Gegenteil: Die Affäre um mutmaßliche Schweigegeldzahlungen an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels, die Anklage in der Affäre um geheime Regierungsdokumente, die Trump vor den Justizbehörden versteckte – sie schweißten das Lager der Trump-Unterstützer nur noch enger zusammen. Jüngste Umfragen zeigen: Trump dominiert das republikanische Bewerberfeld nach Belieben. Sogar im direkten Vergleich mit dem Amtsinhaber Joe Biden liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Anklage dringt zum Kern vor: Trumps Gefahr für die Demokratie

Am Dienstag flatterte dem Republikaner nun die dritte – und schwerwiegendste – Anklage in diesem Jahr ins Haus: Es geht um Trumps Lügen rund um die verlorene Präsidentschaftswahl 2020, die schließlich im Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gipfelten. Anders als zuvor dringt die jüngste Anklage, die der unabhängige Sonderermittler Jack Smith in Washington, D.C. erhob, zum Kern vor: der Gefahr für die amerikanische Demokratie, die Donald Trump darstellt. 

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Der Sonderermittler Smith wirft dem Ex-Präsidenten vor, sich an drei kriminellen Verschwörungen beteiligt zu haben: Trump habe die Vereinigten Staaten betrügen wollen, um die Auszählung und Zertifizierung des Wahlergebnisses zu verhindern. Zweitens habe er versucht, den Kongress am 6. Januar davon abzuhalten, den Wahlsieg Joe Bidens offiziell zu bestätigen. Zudem habe Trump das in der Verfassung verbriefte Wahlrecht der US-Bürger verletzt. Erstmals bezieht sich eine Anklage damit auf potenziell strafbares Verhalten Trumps während seiner Zeit als amtierender Präsident.

Eine erste Erkenntnis aus der Sache: Juristisch wird die Luft dünner für den 77-Jährigen. Bringt die Anklage nun die Wende, gar ein Ende seiner politischen Ambitionen? Unwahrscheinlich. Vielmehr werden die altbekannten Mechanismen greifen und Trumps Anhänger noch enger zusammenstehen. Die Realität der juristischen Aufarbeitung von Trumps Vergehen – sie entspricht nicht der Realität seiner Anhänger. Für sie orchestriert eine vom demokratischen Präsidenten Joe Biden befehligte Justiz eine „Hexenjagd“ gegen einen politischen Rivalen – mit dem Ziel, diesen ein für allemal auszuschalten. Dieses Zerrbild befördert Trump bewusst, wenn er die Anklage in einer ersten Reaktion mit „Nazi-Deutschland in den 1930ern, der früheren Sowjetunion und anderen autoritären, diktatorischen Regimen“ vergleicht.

Will Trump sich selbst begnadigen?

Eine zweite, erschreckende Erkenntnis: Die USA haben mit der nötigen und folgerichtigen umfassenden Aufarbeitung einen Weg eingeschlagen, dessen ganzes Ausmaß noch lange nicht absehbar ist – weder für Trump, noch für Biden, noch für die amerikanische Demokratie insgesamt. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht: Im Laufe dieses Monats ist sogar mit einer vierten Anklage zu rechnen – diesmal in Zusammenhang mit Trumps Versuch, den Wahlleiter in Georgia zu drängen, noch genügend Wählerstimmen „aufzutreiben“, damit er den Bundesstaat gewinnt.

Fakt ist: Donald Trump war einer Verurteilung noch nie so nahe wie heute. Und das lässt allmählich die Vermutung aufkommen, dass der Hauptgrund für seine abermalige Kandidatur nicht ausschließlich der unbedingte Wille ist, noch einmal Präsident der Vereinigten Staaten zu sein. Sondern sich selbst im Falle eine Verurteilung begnadigen zu können. 

Was Trumps Kandidatur absurderweise gefährlicher werden könnte als all die Anklagen und eine drohende Verurteilung an sich: Geldnot. Denn um das wackelige Konstrukt seiner Unschuld aufrechtzuerhalten, benötigt er inzwischen eine ganze Armada von Anwälten – und die kosten. Berichten zufolge herrscht in Trumps Wahlkampfkassen allmählich ziemliche Ebbe, ohne dass seine Kampagne allzu viel Geld in den Wahlkampf investierte. Man sollte aber nicht darauf wetten, dass finanzielle Nöte Trump am Ende das Genick brechen. Denn wenn er eines seit Jahren unter Beweis stellt, dann ist es das Talent, sich aller Widrigkeiten zum Trotz über Wasser zu halten. 

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Maximilian Lutz Donald Trump Joe Biden Präsidentschaftswahlen Sturm auf das Kapitol

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