Wahlkampf für 2024

Die neuen Leiden von Donald Trump

Es läuft nicht rund für Donald Trump. Andere Republikaner feilen an ihrer Präsidentschaftskandidatur, und auch juristisch droht Ungemach. Kann er trotzdem die Vorwahlen überstehen?
Donald Trump sucht das sichere Terrain
Foto: IMAGO/Ron Sachs (www.imago-images.de) | Immer mehr Konkurrenz und kein Ende in Sicht? Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur ist kein Selbstläufer.

Donald Trump ist jetzt auf „Spotify“. „Justice for all“, Gerechtigkeit für alle, heißt der „Song“, den der ehemalige US-Präsident zusammen mit dem „J6 Prison Choir“ eingespielt hat und seit Anfang März auf der Streaming-Plattform anbietet.

Versucht Trump, sich ein weiteres Standbein aufzubauen, wenn die politische Karriere scheitern sollte? Keineswegs. Das Stück ist eine politische Aktion. Und der „J6 Prison Choir“ weit entfernt vom Gefangenenchor aus Verdis Nabucco. Tatsächlich handelt es sich um eine Gruppe von Gefängnis-Insassen, die wegen des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 (daher J6) eine Haftstrafe verbüßen. Per Telefon „singen“ die Verurteilten die amerikanische Nationalhymne. Zwischen den Textzeilen des Chors hört man Trump, wie er den „Pledge of Allegiance“, den Treueschwur auf die Vereinigten Staaten spricht. Die Botschaft ist eindeutig: Trump fordert Gerechtigkeit für die Inhaftierten, deren Strafe er als ungerechtfertigt ansieht, handelte es sich bei dem gewaltsamen Aufstand vor gut zwei Jahren in seinen Augen um einen Ausdruck legitimen Protests gegen den Wahlbetrug, der Joe Biden ins Amt hievte. Gerechtigkeit will er natürlich auch für sich selbst.

Damit befindet man sich schon mitten in Trumps Wahlkampf für 2024. Ihm, dem rechtmäßigen Präsidenten, wurde der Sieg 2020 gestohlen – und nur wenn er nächstes Jahr zurück ins Weiße Haus gewählt wird, kann er den USA wieder zu wahrer Größe verhelfen. Make America great again. Again. Dem enttäuschenden Abschneiden der von ihm unterstützten Kandidaten für die Kongresswahlen zum Trotz kündigte Trump vergangenen November als erster Republikaner überhaupt seine Präsidentschaftskandidatur an.

Trump sucht das sichere Terrain

Seitdem ist einiges geschehen. In Person Nikki Haleys hat Trump eine erste parteiinterne Konkurrentin. Deren Chancen sind allerdings sehr überschaubar. Was sich jüngst auch bei ihrem Auftritt auf der „Conservative Political Action“-Konferenz (CPAC) am Rande Washingtons zeigte – einstmals das Partei-Event schlechthin für jeden, der sich bei den Republikanern Chancen ausrechnete. Bei Haleys Rede war der Saal jedoch dürftig besetzt, am Ende wurde sie mit Pfiffen und „Wir wollen Trump“-Sprechchören vom Podium komplimentiert. Für Trump handelte es sich dagegen um ein Heimspiel, da sich die Konferenz inzwischen von einem Marktplatz konservativer Ideen zu einem Forum von Parteianhängern am äußersten rechten Rand entwickelt hat. So konnte der 76-Jährige mit steilen Thesen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine leichte Punkte einfahren: Es werde nicht länger als einen Tag dauern, ehe er den Krieg beenden würde, erklärte Trump. Denn er wisse ganz genau, was er zu Putin sagen müsse. „Ich verstehe mich bestens mit ihm.“ In einem Interview mit dem „Fox News“-Moderator Sean Hannity präzisierte er später: Man müsse Russland nur „einige Teile der Ukraine übernehmen“ lassen.

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Außerdem warnte Trump bei CPAC vor einem „dritten Weltkrieg“, bezichtigte die Demokraten der „Kriegstreiberei“ und schimpfte über „Fanatiker und Narren“ auch in den Reihen der eigenen Partei. Militärische Hilfe für die Ukraine? Würde er umgehend einstellen. Finanzielle Zuwendungen für das kriegsgeplagte Land? Besser in den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko stecken. So alarmierend Trumps Äußerungen in europäischen, pro-ukrainischen Ohren klingen mögen: Innerhalb seiner Partei nimmt er damit nicht einmal eine Extremposition ein. Viele ziehen in Zweifel, weshalb man Milliarden an US-Dollar in einem Krieg im fernen Europa verpulvern sollte, wo sich doch auf heimischem Boden genügend Baustellen fänden. Auch der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sieht die Hilfsleistungen an die Ukraine kritisch.

Insofern war Trump der Beifall des CPAC-Publikums gewiss. In einer Abstimmung unter den Teilnehmern sprachen sich gut 60 Prozent für Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner aus. Sein schärfster Konkurrent, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, erhielt immerhin 20 Prozent – obwohl er seine Kandidatur noch nicht einmal bekannt gegeben hat. Dass dieser Schritt unmittelbar bevorsteht, lässt sich erahnen. Denn DeSantis, den Trump Ron DeSanctimonious“ nennt, den „scheinheiligen Ron“, hielt sich zwar von der CPAC-Konferenz fern. Stattdessen tourte er jedoch durchs Land, um sein jüngst erschienenes Buch zu bewerben.

Pence scheint Kandidatur in Erwägung zu ziehen

Und auch Mike Pence, Vizepräsident unter Trump, scheint eine Kandidatur ernsthaft in Erwägung zu ziehen: In einer Rede vor Medienvertretern distanzierte er sich am Wochenende deutlich wie selten zuvor von seinem ehemaligen Chef. Die Geschichte werde diesen „zur Verantwortung ziehen“, so Pence in Bezug auf Trumps Sympathien für den gewaltbereiten Mob, der das Kapitol stürmte und es explizit auf Pence abgesehen hatte. Ob er selbst kandidieren werde, ließ Pence weiter offen. Halb im Scherz sagte er: „Ich werde den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner 2024 von ganzem Herzen und vorbehaltslos unterstützen, wenn ich es selbst bin.“

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Fest steht jedenfalls: Trump kann sich seiner Vormachtstellung in der Partei eben nicht mehr gewiss sein. Exemplarisch war dies bereits Anfang des Jahres zu erkennen, als er verärgert verbale Pfeile gegen frühere evangelikale Unterstützer abfeuerte. Da prominente Evangelikale wie Robert Jeffress oder Franklin Graham, der Sohn des legendären Predigers Billy Graham, bis dato zurückhaltend agieren und sich im parteiinternen Vorwahlkampf nicht auf einen Kandidaten festlegen wollten, warf der 76-Jährige ihnen „Illoyalität“ vor. Halb beleidigt, halb trotzig verwies er darauf, doch so viel für den Lebensschutz – ein Kernanliegen der Evangelikalen – getan zu haben, wie kein anderer Präsident. Sollen sie sich doch von ihm abwenden, letztendlich sei es ihm auch egal, so Trump. Will er 2024 aber etwas reißen, ist er auf die Stimmen der Evangelikalen angewiesen.

Viele unerfreuliche Nachrichten also für Trump, der es in den letzten beiden Wahlzyklen nicht gewohnt war, in die Defensive zu geraten. Dass er rhetorisch aufrüstet, wie eben jüngst bei der CPAC-Konferenz, dürfte auch ein Versuch sein, wieder selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Dabei bietet Trump selbst mehr als genügend Angriffsfläche. Noch immer laufen Ermittlungen gegen ihn in mehreren Fällen. Beispielsweise in der Affäre um geheime Regierungsdokumente, die Trump nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus in seinem Anwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida lagerte. Und auch die Rolle des ehemaligen Amtsinhabers beim Sturm auf das Kapitol wird unter die Lupe genommen. In beiden Fällen führt der unabhängige Sonderermittler Jack Smith die Untersuchungen, wobei die Vorwürfe in letztgenanntem Fall wesentlich schwerer wiegen: Aufruhr, Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Behinderung des Kongresses und Verschwörung zu falschen Angaben.

Natürlich sind beide Fälle hoch politisiert. In der Dokumentenaffäre gerieten die Trump-Kritiker zuletzt ins Hintertreffen, da auch beim amtierenden US-Präsidenten Joe Biden geheime Regierungspapiere gefunden worden waren. Und in den Ermittlungen zum Kapitolsturm spinnen einflussreiche Akteure am rechten Rand, allen voran der Fox-News-Moderator Tucker Carlson, gerade an ihren Verschwörungserzählungen. Dass der Sprecher des Repräsentantenhauses McCarthy ausgerechnet Carlson die mehr als 40 000 Stunden Videomaterial vom 6. Januar überließ, die bis dato unter Verschluss gehalten wurden, sorgte für massive Kritik, nicht nur von den Demokraten. Carlson macht sich nun daran, mit selektiver Präsentation des Materials vor seinem Millionenpublikum zu „widerlegen“, dass ein gewaltsamer Aufstand überhaupt stattgefunden habe.

Die Auswirkungen auf die Wahlen sind ungewiss

Das größte Ungemach droht Trump allerdings in einem Fall, der noch in die Zeit vor seiner Präsidentschaft zurückreicht: Im Jahr 2016 soll er der Pornodarstellerin Stormy Daniels über seinen Anwalt 130 000 US-Dollar an Schweigegeld gezahlt haben. Daniels behauptet, 2006 eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Derzeit sieht es danach aus, als könnte die Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan in der Causa tatsächlich Anklage gegen Trump erheben. Damit wäre er der erste ehemalige US-Präsident, der wegen einer Straftat angeklagt wird. Wie alle Verfahren gegen Trump ist jedoch auch dieses heikel, da er und seine Anhänger eine politische Motivation unterstellen.

Wie sich all die Ermittlungen und Verfahren auf den langsam an Fahrt aufnehmenden Wahlkampf auswirken, ist derzeit noch nicht abzusehen. Trump ist jedoch äußerst versiert darin, Vorwürfe als „Hexenjagd“ darzustellen und zum eigenen Vorteil zu nutzen. Dass die Demokraten von den juristischen Streitigkeiten profitieren, ist daher kaum zu erwarten. Dass Trump in absehbarer Zukunft selbst als Mitglied des „J6 Prison Choir“ hinter Gittern für Gerechtigkeit singt, noch weniger.

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