Zu Fuß sind es nur wenige Minuten, die den Potsdamer Platz von der Stresemannstraße in Berlin trennen. In der Stresemannstraße in Berlin-Kreuzberg befindet sich die katholische Kirche St. Clemens, ein spirituelles Zentrum der Hauptstadt mit 24-Stunden-Anbetung und durchgängiger Beichtgelegenheit. Das Publikum in der von Clemens August Graf von Galen vor 115 Jahren gestifteten und heute von indischen Patres betreuten Kirche ist international. Man hört Menschen polnisch den Rosenkranz beten, auch viele Afrikaner und Asiaten finden sich ein, um vor Statuen von Pater Pio, Mutter Teresa oder Schwester Faustyna zu beten.
Eine ehrfurchtsvolle Stille und zugleich ein stetes Kommen und Gehen prägen diese besondere Atmosphäre von St. Clemens. Verlässt man diesen Ort der ständigen Adoratio und biegt rechts auf die Stresemannstraße ab, erreicht man nach etwa acht Minuten den belebten Potsdamer Platz, an den sich imposante Hotels und Tagungszentren schmiegen. Im Foyer des dortigen Berliner Marriott-Hotels summte es in diesen Tagen wie in einem Wahlkampfbüro am Wahlabend.
Die Atmosphäre: geschäftig, motiviert, aber auch erwartungsvoll
Ähnlich wie in St. Clemens ist das Publikum in der ersten Etage des großen Hotels auffällig international. Man sieht einen Teilnehmer mit Turban ebenso wie einen anderen mit Kippa. Es wird Englisch gesprochen – mal mit kontinentaleuropäischem Akzent, mal in distinguiertem British- oder lockerem American English. Berater, Politiker, Kommunikationsprofis – sie alle waren zur Berlin Campaign Conference vom 3. bis 5. September 2025 in das Berliner Marriott angereist. Die Atmosphäre: geschäftig, motiviert, aber auch erwartungsvoll.

Wer die Konferenz betrat, merkte schnell, dass hier nicht Theorie im Vordergrund stand, sondern die Praxis erfolgreicher Wahlkämpfe. So waren deutlich mehr politische Strategen, oft jung, anwesend, als Politiker. Das war auch der Sinn dieser Tagung: lange Linien zu ziehen, kampagnenfähiger zu werden, Netzwerke zu schmieden, die über ein, zwei oder drei Legislaturperioden hinaus andauern.
Die Konferenz wird organisiert vom Chef der Kampagnenorganisation The Republic, dem ehemaligen CSU-Strategen Armin Petschner-Multari. Veranstaltungspartner sind neben der Union Stiftung das Danube Institute mit Sitz in Budapest und das Washingtoner Leadership Institute.
Auf dem Podium sprachen Frauen und Männer, die für die Kampagnen von Barack Obama, Lord David Cameron oder Boris Johnson gearbeitet hatten. In Workshops und Panels wurde analysiert, wie Daten, Künstliche Intelligenz und digitale Strategien Wahlentscheidungen beeinflussen. Andere Sessions nahmen die Rolle klassischer Parteistrukturen, die Bedeutung von Think Tanks oder den Umgang mit populistischen Herausforderern in den Blick.
Über die Kunst, breite Koalitionen zu formen
Einen besonderen Akzent setzte John O’Sullivan, Präsident des Danube Institute, einst Redenschreiber von Lady Margaret Thatcher, der für viele Konservative ikonischen Premierministerin Großbritanniens. O’Sullivan, selbst Commander of the British Empire, gilt als Grand Seigneur der britischen Tories. Mit dem Blick des Historikers und Strategen sprach er über die Kunst, breite Koalitionen zu formen, ohne Grundsätze aufzugeben. Seine Ausführungen schlugen eine Brücke von den Tagen Thatchers und Reagans bis zu den Herausforderungen heutiger Parteien.

Auch die österreichische Abgeordnete Gudrun Kugler (ÖVP) machte in ihrem Vortrag deutlich, dass Wertearbeit und politische Strategie keine Gegensätze sind. Sie warb für mehr intellektuellen Mut und für Institutionen, die kulturelle und politische Führung zugleich leisten. „Für meinen Wahlkreis wurde mir bei der letzten Parlamentswahl ein Ergebnis von 12 Prozent prognostiziert. Mindestens 14 Prozent wären jedoch nötig für den Wiedereinzug in das Abgeordnetenhaus“, so Kugler.
Am Ende übertraf die Politikerin alle Prognosen und begründete dies damit, dass man zu den Menschen gehen müsse, um ihre Probleme zu verstehen. Gerade ärmere Menschen und Arbeiter seien Kernklientel der Konservativen. Diskutiert wurde zudem über die Neuausrichtung nach Wahlniederlagen – etwa im Vereinigten Königreich, in Kanada oder in Australien –, wo Strategen schilderten, wie sie Parteien nach Rückschlägen wieder auf Kurs gebracht haben. Viele Redner brachten zudem europäische Sichtweisen ein, wie etwa Gábor Berczeli, Direktor des renommierten Robert-Schuman-Instituts.
Ein Highlight im bürgerlichen Jahreskalender
„Ich bin mit der diesjährigen Berlin Campaign Conference extrem zufrieden. Es ist uns innerhalb von nur zwei Jahren gelungen, ein hochkarätiges Format zu etablieren, ein Highlight im bürgerlichen Jahreskalender. Die Konferenz zieht Referenten und Teilnehmer aus aller Welt in die deutsche Hauptstadt, um spannenden Vorträgen und Diskussionen beizuwohnen und vor allem auch um mit miteinander in den Austausch zu treten“, fasste Veranstalter Petschner-Multari die Veranstaltung zusammen. „Viele traditionelle Mitte-Rechts-Parteien, die westliche Demokratien über lange Jahre maßgeblich geprägt haben, stehen heute vor großen Herausforderungen, nicht nur mit Blick auf die politischen Rahmenbedingungen, sondern auch ganz konkret, was den eigenen Fortbestand angeht. Wenn wir mit der Berlin Campaign Conference dazu beitragen können, diese Probleme nicht nur zu analysieren, sondern auch Lösungen gemeinsam zu entwickeln, sind wir bereits große Schritte weiter.“ so Republic-Gründer Petschner-Multari weiter.
Geprägt war das Programm durch Beiträge aus einer Vielzahl internationaler Perspektiven. Mit dabei war Leo Housakos. Der Sohn griechischer Einwanderer ist eine der prägenden konservativen Stimmen im kanadischen Oberhaus und seit 2008 im Senat, wo er sich früh als Verfechter gesellschaftskonservativer Positionen profilierte. Unter Premierminister Stephen Harper amtierte er als Präsident des Senats, seit Mai 2025 führt er dort die Opposition an. Gegenüber dieser Zeitung sagte er: „Die Berlin Campaign Conference war eine herausragende Erfahrung. Ich möchte den Organisatoren und Sponsoren danken und ihnen gratulieren, dass sie führende Vertreter der bürgerlich-konservativen Politik aus aller Welt zusammengebracht haben. Der Dialog war inspirierend und wird unsere Bemühungen stärken, Freiheit, Verantwortung und Rechenschaftspflicht in unseren Demokratien voranzubringen.“
Arian Aghashahi, Strategieleiter bei The Republic bilanziert: „Die Berlin Campaign Conference zeigt, dass der Wert einer Konferenz nicht allein in Vorträgen liegt, sondern im Netzwerk, das hier entsteht. Von Kanada über Indien bis Australien spiegelt die Vielfalt der Teilnehmer die Heterogenität der globalen Mitte-Rechts-Kräfte wider. Unser Ziel ist es, diese Strömungen zusammenzuführen und in eine gemeinsame Vision zu übersetzen. Wer nach Berlin kommt, erlebt nicht nur Analyse, sondern wie aus unterschiedlichen Traditionen und Perspektiven eine globale Koalition entsteht, die die Zukunft gestalten will.“
Gemeinsam mit Denkfabriken wie jener von Claudia Höbarth (Campus Tivoli, der Akademie der Österreichischen Volkspartei) und dem US-Amerikaner James Carafano (Heritage Foundation) entstand so ein Kaleidoskop internationaler Strategien, das von Washington bis Wien reichte – und Berlin für drei Tage zum Treffpunkt der politischen Kampagnenmacher machte. Nach der Tagung brachte ein junger Teilnehmer, selbst Berater der CDU, seine Eindrücke mit einem Zitat von Franz Josef Strauß auf den Punkt: Konservative und bürgerliche Politiker sollten „kompliziert denken und einfach reden – nicht umgekehrt“. Dass sich damit Wahlen gewinnen lassen, selbst wenn Medien und Gegner rasch den Populismus-Vorwurf erheben, hat die Berlin Campaign Conference 2025 eindrucksvoll gezeigt. Am Ende aber bleibt, was der Stifter der St.-Clemens-Kirche, Clemens August Graf von Galen, der „Löwe von Münster“, in seinen Predigten mahnte: „Der Mensch ist nicht Eigentum des Staates, er ist Eigentum Gottes.“ In Zeiten digitaler Strategien erinnert dieser Satz daran: Politik ohne moralisches Fundament läuft leer.
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