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Wenn Beamte „auch was sagen“ wollen

Mäßigungsgebot für Beamte hin oder her - manche pflegen einen entspannten Umgang mit bestimmten Paragrafen, manche mit, andere ohne Uniform. Zu Recht?
Claudia Pechstein sprach beim CDU-Grundsatzkonvent
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Claudia Pechstein, Olympiasiegerin im Eissschnelllauf, sprach in ihrer Uniform als Bundespolizistin beim CDU-Grundsatzkonvent. Ein No-go?

Kleider machen Leute. Und schneidige Uniformen schinden hierzulande seit jeher ganz besonders viel Eindruck. Darauf ließ zumindest jüngst die Pechstein-Debatte schließen, die infolge einer Rede der ehemaligen Olympionikin in Polizeiuniform auf dem CDU-Grundsatzkonvent deutsche Meinungsmacher beschäftigte. Verleiht die Uniform der Meinungsäußerung einer Beamtin nicht ein unangemessenes, höheres Gewicht? Schließlich dürfen nicht einmal Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“ dieselbe auf politischen Veranstaltungen tragen.

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Eine ähnlich klare Vorschrift gibt es für Bundespolizisten zwar nicht, aber wenn solche, wie Pechstein, in Uniform latent menschenfeindliche Begriffe wie „Zigeunerschnitzel“ verteidigen, ist doch wohl das Maß voll, oder? Schließlich, so bemerkten kundige Stimmen, gilt für Bundesbeamten das Mäßigungsgebot: „Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben“, heißt es im Bundesbeamtengesetz (BBG) Paragraf 60, Absatz 2.

Fall Pechtstein in der Prüfung - drückt Faser ein Auge zu?

Immerhin: Innenministerin Bundesministerin für Inneres und Heimat Nancy Faeser (SPD), Pechsteins alleroberste Dienstherrin, wollte sich noch nicht abschließend zur Causa Uniform äußern. Ob ein Vergehen vorliegt, lasse sie „gerade prüfen“. Pechstein darf sich dabei durchaus Hoffnung machen, dass Faeser noch mal ein Auge zudrückt. Zumindest gab es für Thomas Haldenwang bislang auch keinen öffentlichen Rüffel. Der Chef des Verfassungsschutzes ist ebenfalls ein Bundesbeamter, der einen eher entspannten Umgang mit jenem Paragrafen 60 pflegt.

Seine Vorgesetzte Faeser brüskierte er bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes in der Bundespressekonferenz letzte Woche gewissermaßen direkt, wenngleich in ziviler Kleidung. Auf die Frage eines Journalisten, was Faeser und Haldenwang denn den Wählern der AfD zu sagen hätten, die von Haldenwangs Behörde als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird, und die ungeachtet dessen in Umfragen bei rund 20 Prozent liegt, antwortete Faeser: „Ich würde mal sagen, das nehme ich Herrn Haldenwang ab, ich halte es nicht für geboten, dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Empfehlungen für Wählerinnen und Wähler abgibt.“

Haldenwang will Bevölkerung wachrütteln

Eine Einschätzung, die dem demokratischen common sense ebenso entspricht wie dem ersten Absatz des Paragrafen 60 BBG, in dem es heißt: „Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen“. Den gut gelaunten Haldenwang focht dies allerdings nicht an, er wollte „auch was sagen“: Die Wähler sollten doch „im Hinterkopf“ behalten, dass in der blauen Partei vom Rassismus bis zur Putin-Kollaboration allerlei abseitige Haltungen vertreten würden. Am gleichen Abend wurde er im ZDF noch etwas deutlicher: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken, dazu haben wir keinerlei Möglichkeiten, aber wir können die Bevölkerung wachrütteln“.

Nun ist es beruhigend, dass sich der Chef des Inlandsgeheimdienstes die direkte Änderung von Umfrageergebnissen nicht zutraut. Dass er allerdings schon einen gewissen Abstand vom Neutralitätsgebot gegenüber einer nicht verbotenen Partei – über die Verfassungstreue der AfD entscheidet nur das Verfassungsgericht – genommen hat, lässt sich nur schwer übersehen. Wenn Faeser darauf nicht reagiert, sollte Pechstein auch nichts zu befürchten haben.

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