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Vorwürfe, Unterstellungen und kaum verschleierte Abneigung

Kamala Harris hat im TV-Duell mit Donald Trump die Nase vorn. Doch überzeugen kann keiner von beiden. Und die Moderatoren fallen mit ihren Fragestellungen unangenehm auf.
Donald Trump und Kamala Harris beim TV-Duell
Foto: IMAGO/Brian Cahn (www.imago-images.de) | Inhaltlich lieferte die Debatte kaum neue Erkenntnisse. Trump wie auch Harris klebten oft an den vorher einstudierten Sätzen und Pointen, dem Duell fehlte es daher über weite Strecken an Spontaneität.

Eine große Überraschung bot sich gleich zu Beginn: Donald Trump und Kamala Harris begrüßten sich zum mit Spannung erwarteten Fernsehduell tatsächlich mit Handschlag. Eine Geste, auf die Joe Biden stets verzichtet hatte. Weitere Freundlichkeiten wurden am Dienstagabend auf der Bühne im National Constitution Center in Philadelphia jedoch nicht ausgetauscht. Der 90-minütige Schlagabtausch, der das erste persönliche Aufeinandertreffen zwischen Trump und Harris darstellte, war geprägt von gegenseitigen Vorwürfen, Unterstellungen und einer kaum verschleierten Abneigung der Kandidaten füreinander.

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Nüchtern betrachtet ging die Demokratin Harris wohl als Siegerin aus dem Duell hervor. Sie trat von Anfang an selbstsicher, angriffslustig und präsidial auf. Zudem konnte sie auch rhetorisch glänzen, ihre Performance stellte einen meilenweiten Unterschied zu Bidens folgenschwerem Auftritt im Juni dar. Und es gelang Harris, Trump immer wieder zu reizen und in Fallen zu locken: Der frühere Präsident wirkte mit fortschreitendem Verlauf der Debatte zunehmend wütend, brüllte seine Antworten teilweise sogar ins Mikrofon. Dass Harris selbst mit einem guten Gefühl aus dem Aufeinandertreffen ging, zeigt auch die Tatsache, dass sie Trump bereits zu einem weiteren Duell herausgefordert hat.

Die Ausgangslage des Wahlkampfs ändert sich nicht

Für die Ausgangslage des Wahlkampfs hat das vom Sender „ABC News“ ausgerichtete Kräftemessen allerdings wenig Folgen. Es bleibt ein unglaublich enges Rennen. Weder Trump noch Harris dürften mit ihrer Performance in großer Zahl Wechselwähler überzeugt haben. Gleichzeitig bewies das Duell: Das amerikanische Volk stand wohl selten vor der Wahl zwischen zwei derart schwachen, angreifbaren und inhaltlich enttäuschenden Kandidaten. Beide griffen oft darauf zurück, vor den Unzulänglichkeiten und vermeintlich gefährlichen Plänen des anderen zu warnen, anstatt die eigene Vision für das Land zu konkretisieren.

Das Moderatorenduo muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die 59-jährige Harris über weite Strecken mit kritischen Nachfragen verschont zu haben, während man bei Trump immer wieder nachbohrte. Manche Aussagen des 78-Jährigen unterzogen die Moderatoren gar einem unmittelbaren Faktencheck, worauf sie bei Harris verzichteten. Dabei wäre es zweifellos die Aufgabe der Kandidaten gewesen, falsche Behauptungen ihres Gegners zu entlarven. Trump beklagte sich nach dem Duell somit völlig zu Recht über mangelnde Fairness in der Debattenführung.

Das Thema Abtreibung, so zeigte sich einmal mehr, könnte für viele wertkonservative Wähler noch zum echten Dilemma werden. Allen voran aufgrund der extremen Abtreibungsagenda, die Kamala Harris auch am Dienstagabend ausbreitete, wenn auch in beschönigende Formulierungen verpackt. Doch auch Trump bekannte sich nicht mehr explizit zum Lebensschutz. Der Kandidat der Republikaner wirkt bei diesem Thema völlig gehemmt, seitdem er fürchten muss, insbesondere weibliche Wählerstimmen zu verlieren. Die Bundesstaaten machen nun die Gesetze, damit ist die Sache erledigt, so Trumps Standpunkt. Doch das ist fatal, wenn man bedenkt, dass in zahlreichen Staaten im November Referenden anstehen, in denen ein „Recht“ auf Abtreibung zur Abstimmung steht.

Trump legt Finger in Harris' Wunde

Inhaltlich lieferte die Debatte wenig neue Erkenntnisse. Trump wie auch Harris klebten an den vorher einstudierten Sätzen und Pointen, dem Duell fehlte es über weite Strecken an Spontaneität. Immer dann, wenn sich ein Wortgefecht zwischen Trump und Harris anbahnte, grätschten die Moderatoren dazwischen und schalteten die Mikros ab. Trump kam bei fast jedem Themenblock auf die Migrationskrise zu sprechen – keine Überraschung, dass seine Strategen hier wohl das größte Potenzial sehen, gegenüber Harris zu punkten.

Und auch wenn die Demokratin wohl die Nase vorn hatte: Da Trump sein Abschlussplädoyer zuletzt halten durfte, konnte er den Finger noch einmal in einen von Harris‘ wunden Punkten bohren. Seit mehr als drei Jahren sitzt sie mit im Weißen Haus – warum hat sie seitdem nichts von dem umgesetzt, was sie nun verspricht? Eine berechtigte Frage, die sich sicher auch viele unentschlossene Wähler stellen. 

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