Der Name soll anonym bleiben, nur so viel sei verraten, die Dame ist aktive Christdemokratin, war eine entschiedene Merz-Unterstützerin und gerade deswegen scheint ihr Fall symptomatisch zu sein: Kurz vor der Bundestagswahl waren ihre Postings in den Sozialen Medien voller Enthusiasmus. Mit großer Zustimmung begrüßte sie den Vorstoß von Friedrich Merz in der Migrationspolitik. Jetzt endlich könne man wieder sein Kreuz guten Gewissens bei der CDU machen, so ihr Ceterum censeo bei Social Media.
Und jetzt, wenige Tage später, spricht sie von Heimatlosigkeit, von Enttäuschung, vor allem aber auch von Frust. Der Grund: Die Pläne der Regierung in spe in Sachen Schuldenbremse und sogenanntem Sondervermögen. Zwischen „Rambo Zambo“ und der Depri-Stimmung jetzt liegen keine zwei Wochen. Und dann verkündet zu allem Überfluss auch noch SPD-Chef Lars Klingbeil im Fernsehen, mit seiner Partei werde es keine Grenzschließungen geben. Sind die migrationspolitischen Pläne also auch zum Teufel? Wird der schwarze Hund, Symbolbild für Depressionen, nun zum neuen Wappentier der Union?
Bürgerliche Schwäche, linke Solidarität
Obwohl also bei Parteibasis und Wählern Verwirrung bis Entsetzen herrscht, schweigt das Konrad-Adenauer-Haus. Auch von Friedrich Merz waren bis jetzt noch keine Erklärungen zu hören, die irgendwie für Beruhigung sorgen könnten. Vielmehr macht sich bei manchen, die noch vor 14 Tagen in Merz so etwas wie den Inbegriff eines Richtlinienkompetenz-Kanzlers gesehen haben, Zweifel breit, ob der CDU-Chef wirklich politische Führung kann. Dabei gibt es ja durchaus Argumente, die für die Finanzpläne sprechen. Sie auch gegen eine gefühlte Mehrheit in der eigenen Truppe und auch entgegen vorheriger Versprechungen durchzudrücken und begründen zu können, das wäre solche Führung. Wegducken ist das Gegenteil.

Man muss in diesem Zusammenhang ein Phänomen betrachten, das in der politischen Geschichte immer wieder eine Rolle spielt: Die Rede ist von der bürgerlichen Feigheit. Dass die Linke solidarisch zusammensteht, im Zweifel von Links-liberal bis Linksaußen, vor allem dann, wenn es gegen Bürgerlich-Konservative geht (Siehe Anti-CDU-Demos während des Wahlkampfes), ist das Eine. Dass das bürgerliche Lager vor dieser vermeintlichen Übermacht immer noch zurückschreckt, das Andere. Sei es aus Naivität, weil man glaubt die ideologische Verbohrtheit sei doch nicht sich groß auf der anderen Seite, man könne irgendwie zu einem Kompromiss kommen, sei es aus einem Mangel an Härte. Bürgerliche können einfach nicht so gut verhandeln wie die Kader-erprobten Linken, die seit ihrer Schüler- und Studentenzeit gewohnt sind, Gremienschlachten zu schlagen und auch zu gewinnen. Beide Faktoren machen eine bürgerliche Feigheit aus, die vor allem dann dramatisch ist, wenn man auf der analytischen Ebene zwar zu den richtigen Erkenntnissen kommt, aber vor der notwendigen Konsequenz im Handeln zurückschreckt.
Dann kommt aber noch dazu: In der Regel wird diese bürgerliche Feigheit vor allem von Bürgerlichen beklagt. Darin steckt wohl auch eine Art Selbsthass. Vielleicht eine Folge von zu viel Reflexionsvermögen. Der Linken gehen solche Gewissenbisse ab. Dir Bürgerlichen schwächen sich aber, indem sie über ihre Schwäche klagen, sich geradezu in ihr suhlen, immer mehr. Was das für Folgen hat kann man in Deutschland seit 1968 ziemlich genau beobachten. Es ist letztlich wie in einer Spirale, das Ganze dreht sich immer weiter nach oben. Ob die Union diesen Prozess noch stoppen kann?
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