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Sri Lankas Dilemma: Drohender Bankrott

Der drohende Bankrott des Landes wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus. Trotzdem haben die Menschen die Hoffnung, dass der Tourismus nicht zusammenbricht.
Mangel an Benzin,  Nahrung, Touristen und Bildung. Trotzdem geben die Bewohner Sri Lankas nicht auf.
Foto: Sabine Ludwig | Mangel an Benzin, Nahrung, Touristen und Bildung. Trotzdem geben die Bewohner Sri Lankas nicht auf.

Es ist früh am Morgen. Nadeshan Mendis läuft hinüber zum Bootssteg und wartet. Gleich kommen Touristen für die Mangroventour. Endlich! Ein paar Stunden Anstehen an der Tankstelle hat er hinter sich. Mit den paar Litern, die er dem Tankwart abschwatzen konnte, kommt er hin. Ein Vermögen hat ihn der Treibstoff gekostet. Doch die Bootsfahrt mit den Gästen ist lukrativ, Trinkgeld gibt es obendrein, das rechnet sich. Der Tourismus gilt als ein zentrale Säule für die  Wirtschaft des Landes.

Mutige Touristen

Sri Lanka befindet sich in einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten. Es ist Monsunzeit, Regenzeit, der frühe Morgen ist verhangen. Dunkle Wolken verkünden nichts Gutes, passend zur Stimmung im gesamten Inselstaat. Die Menschen sind der desaströsen Vetternwirtschaft, die den kompletten Machtapparat betrifft, längst überdrüssig. Auch Treibstoff gibt es kaum mehr.

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Mendis hofft auf Touristen, die es trotzdem wagen. „Wir brauchen sie dringend, denn wenn niemand kommt, überlebt unsere Branche nicht!“ Er arbeitet für einen Bootsverleih. Die Hotels und Villen sind frisch renoviert, die tropischen Gärten von Laub und Unkraut befreit, Sri Lanka glänzt und wartet auf Besucher. „Ich habe Familie mit zwei Kindern, das ist schon eine Herausforderung, sie satt zu bekommen.“ Nebenbei arbeitet Mendis als Fischer. Dadurch entstehen neue Probleme, die zu meistern sind. „Schließlich kann ich mit meinem Boot nicht einfach so zur Tankstelle fahren, um es zu betanken.“

Chaos an den Zapfsäulen

Wie Gästebetreuer Janaka berichtet, werden Autos und Mopeds an Tankstellen noch befüllt. Er wohnt in Bentota an Sri Lankas Westküste und sieht auf den Busfahrten zu seiner Arbeitsstätte täglich das Chaos an den Zapfsäulen. „Leute, die mit Kanister kommen, werden nicht bedient. Sie bekommen Benzin oder Diesel nur auf dem Schwarzmarkt und das zu horrenden Preisen.“ Und was bleibt Nadeshan Mendis sonst übrig, als mit zwei Kanistern loszuziehen, um an den Treibstoff für sein Boot zu kommen? „Öffentliche Verkehrsmittel fahren kaum“, erklärt Janaka.

Für die über 22 Millionen Einwohner des südasiatischen Urlaubsparadieses ist es eine Zeit des Aufruhrs. Mitte April hatte sich die Regierung für ausländische Geber zahlungsunfähig erklärt mit der Folge, dass weder Zinsen bezahlt werden noch Rückzahlungen an die betroffenen Länder getätigt werden.

Liebe zum Land trotz Mangel

Hotelier Mahinda Kumara hat die Pandemie stark mitgenommen. Mehr als eineinhalb Jahre musste er sein Hotel schließen. „Wir nutzten diese Zeit für Renovierungen, denn wir wollen unbedingt wieder öffnen.“ Die Anzeichen der politischen Krise, die das Land ab März erschüttert, waren schon seit Monaten offensichtlich.

Vor allem der Öl-Mangel trifft den Tourismussektor. „Es betrifft Rundreisen genau so wie den Alltag in unseren Hotels“, sagt der 62-Jährige. „Ohne Diesel können bei Stromausfall keine Generatoren bedient werden. Meine Mitarbeiter stehen abwechselnd stundenlang mit Kanistern an den Tankstellen an. Vom Staat bekommen wir keine Hilfe, wir sind auf uns selbst angewiesen.“ Drei seiner vier Söhne arbeiten in Italien im Hotelsektor. „Warum Europa? Ich will, dass meine Kinder dazu lernen. Wenn sie zurückkommen, können sie mit ihrem Wissen unser Land effektiv gestalten.“ Mahinda Kumara liebt seine Heimat. „Ich werde nie von hier weggehen, trotz allem. Ich liebe Sri Lanka und habe noch keinen besseren Platz gefunden!“

Buddhistisches Weltbild prägt das Land

Er erzählt von den vielen Demonstranten, viele davon aus Studentenvereinigungen und Arbeiterverbänden, die den Rücktritt der gesamten Regierung gefordert haben. Mit Erfolg, denn Ministerpräsident  Mahinda Rajapaksa räumte Anfang Mai den Stuhl. „Doch wer wird nachkommen?“, fragt sich Kumara sorgenvoll. „Ich kenne niemanden aus der Politik, der diese Aufgabe übernehmen könnte.“

Yattapatha Sumangala lebt seit 20 Jahren im Kloster Sri Vilayaramaya in der Nähe von Bentota. „Wenn Unrecht getan wird, dann rächt sich das. Die Natur wird gegen uns sein“, sagt der buddhistische Mönch. Die Situation sei schrecklich, viele Menschen litten. In der Hauptsache betrifft es die Armen, das sind in Sri Lanka 80 Prozent der Bevölkerung. „Nur ein Fünftel hat ausreichend zu essen, die anderen hungern.“ Zu viel Konsum, Korruption und Rassismus verzerren sein Weltbild. „Ich sage nicht, dass die buddhistische Religion die beste ist, denn das wäre falsch. Die unterschiedlichen Religionsführer müssen erkennen, dass es nie eine beste Religion geben wird“, sagt der 35-Jährige. „Falls wir das verstehen, ist eine bessere Welt möglich.“

Alligatoren schnappen zu

Es ist kurz nach Sonnenaufgang. Nadeshan Mendis Boot gleitet sanft durch die dichten Mangrovenwälder zu beiden Seiten des Madu-Flusses. Ein Waran zieht furchtlos seine Kreise, folgt dem Kahn für eine Weile. Die Tiere sind harmlos, im Gegenteil zu den Flusskrokodilen. Nalani de Silva lebt auf einer kleinen Insel mitten im Fluss. Genau wie ihre Nachbarn muss sie am Ufer des Flusses achtgeben: Alligatoren lauern im seichten Gewässer, bereit, nach allem zu schnappen, was sich bewegt. Das können Kinder beim Spielen sein, Frauen beim Baden oder Hunde, die ihren Durst stillen. Lautlos schlägt das Reptil zu, zieht seine zappelnden Opfer unter die Wasseroberfläche, bis sie tot sind.

Jetzt am frühen Morgen ist noch alles friedlich. Doch das Leben hier beginnt schon sehr bald. „Ich gehe nie alleine hinunter an den Fluss“, bekräftigt de Silva. Die Bäuerin dreht Stricke aus den Fasern der Kokosnüsse. Sie zeigt, wie reißfest sie sind. Dann hobelt sie mit einer Spachtel die Rinde des Ceylon-Zimtbaumes. „Wir haben hier den besten Zimt der Welt“, ergänzt Mendis. De Silva hält den Besuchern die abgeschabte Rinde hin. Hier ist die Landschaft noch fast unberührt. Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass sie sich in den letzten zwei Jahren weiter entfalten konnte.

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