Drei Jahre nach den Oster-Anschlägen in Sri Lanka, bei denen islamistische Selbstmordattentäter 270 Menschen in drei Kirchen und drei Hotels töteten, ist der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, noch nicht überzeugt, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfahren ist und fordert eine restlose Aufklärung der Hintergründe des Attentats.
"Wir wollen die Wahrheit wissen"
Die gesamte katholische Gemeinschaft Sri Lankas wolle die Wahrheit über die Anschläge erfahren, „denn ihr ist sehr, sehr tiefgreifender Schmerz zugefügt worden“, erklärte der Kardinal im Gespräch mit dem internationalen päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“. Den inzwischen von der Regierung des Landes veröffentlichten, umfassenden Bericht zu den Anschlägen, der 23.000 Anklagepunkten gegen 25 muslimische Männer erhebt, sei zwar an sich sehr gut, so Ranjith. Jedoch müssten die darin enthaltenen Empfehlungen auch umgesetzt werden.
„Wir wollen die Wahrheit wissen. Wir wollen, dass dieser Bericht umgesetzt wird“, forderte der Erzbischof von Colombo. Es gebe einige Bereiche, in denen die Kommission weitere Untersuchungen empfehle. „Wir wollen weitere Untersuchungen in diesen Bereichen. Wenn dies nicht möglich ist, haben wir keine andere Wahl, als uns an die internationale Staatengemeinschaft zu wenden.“ Den Untersuchungen zufolge schienen die muslimischen Attentäter die Anschläge nicht aus einem religiösen Motiv heraus verübt zu haben, so Ranjith. „Es scheint ein politisches Motiv dahinter zu stecken. Es scheint jemand mit Autorität hinter diesen Anschlägen zu stecken.“
Hat der Nachrichtendienst Informationen nicht weitergegeben?
Kritisch sieht der Kardinal auch die Rolle des staatlichen Nachrichtendienstes Sri Lankas. So schienen nachrichtendienstliche Informationen nicht an die zuständigen Stellen weitergegeben worden zu sein. Die Untersuchungskommission sei zu dem Ergebnis gelangt, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien um zu klären, „ob diejenigen mit entsprechenden Interessen bewusst nicht aufgrund der Informationen des Nachrichtendienstes handelten, um im Land für Chaos zu sorgen und Angst und Unsicherheit zu verbreiten.“
Auf die Frage, welchen Vorteil die sri-lankischen Behörden davon gehabt hätten, die Bevölkerung nicht zu warnen, dass es zu Anschlägen kommen könnte, entgegnete Ranjith, man habe die Informationen womöglich nicht weitergegeben, „weil man dachte, es könnte zu Chaos im Land führen, und dass ein Wahlkandidat davon profitieren könnte, wenn er Stabilität und Sicherheit für die Bevölkerung verspricht“. Da jener Wahlkandidat, Gotabaya Rajapaksa, nun Präsident des Landes sei, könne man nach Ansicht Ranjiths „1 und 1 zusammenzählen“. DT/mlu
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