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Sri Lanka im Griff der Rajapaksa Dynastie

Die Fäden der Macht liegen in der Sri Lanka in den Händen der Polit-Dynastie Rajapaksa. Doch die Proteste werden lauter.
Wirtschaftskrise in Sri Lanka - Proteste
Foto: Eranga Jayawardena (AP) | Mitglieder der Oppositionspartei „National People's Power“ bei einer Proteskundgebung gegen die Regierung Ende April in Colombo.

Sri Lanka befindet sich seit Wochen in der schlimmsten Krise seit der Unabhängigkeit 1948. Bilder von wütenden Demonstranten und hochgerüsteten Sicherheitskräften gehen um die Welt. Die Basisversorgung ist schon lange nicht mehr sichergestellt, Gas und Benzin sind ebenso schwer zu bekommen wie Medikamente. Allmählich wird auch die Grundversorgung mit Lebensmitteln immer prekärer. Die Wartezeit für lebensnotwendige Produkte beträgt nicht Stunden, sondern Tage.

Bürgerkrieg im Urlaubsparadies

Lange Zeit war Sri Lanka ein asiatisches Musterland. Das Bildungsniveau ist hoch, die Infrastruktur gut, demokratische und rechtsstaatliche Institutionen fest verankert. Millionen Touristen an den Stränden und in den Ayurveda-Hotels sorgten für harte Devisen. Ein Bürgerkrieg zwischen den hinduistischen Tamilen im Norden und der Armee erschütterte erstmals das Bild vom unbeschwerten Urlaubsparadies.

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Bei den Kämpfen standen sich beide Seiten an Grausamkeiten nichts nach. Die Devisen flossen jedoch weiter, denn im Süden, wo sich die wichtigsten Urlaubsressorts befinden, war von dem Bürgerkrieg nicht viel zu spüren. Der Krieg endete schließlich 2009 mit der vollständigen Vernichtung der Tamil Tigers, woraufhin die von buddhistischen Singhalesen dominierte Regierung nationale Versöhnung versprach. In der Tat wurden den Tamilen gewisse Autonomierechte zugestanden.

Starke Terrorgruppe, schwache Politik

Wie schwierig das Verhältnis zwischen den Religionen ist, zeigte sich am Osterfest 2019. In einer konzertierten Aktion verübten mehrerer Kommandos radikal-islamischer Fanatiker verheerende Anschläge auf insgesamt sechs Kirchen und internationale Hotels, denen etwa 270 Menschen zum Opfer fielen, über 600 wurden schwer verletzt. Verantwortlich waren der Islamische Staat (IS) gemeinsam mit der lokalen National Thowheed Jamaath (NTJ), einer Terrorgruppe, die zuvor vor allem durch Anschläge auf buddhistische Einrichtungen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ihr Name bedeutet „Nationale Bewegung für den Monotheismus“.“ Die Aufklärung und Aufarbeitung dieses Verbrechens durch die staatlichen Behörden bleibt hinter den Erwartungen der katholischen Kirche im Land zurück und sorgt ebenfalls für Unmut.

Die aktuelle Krise hat interne und externe Ursachen. Die Corona-Pandemie hat den Tourismus als wichtigen Wirtschaftszweig zum Erliegen gebracht. In guten Zeiten flossen dadurch knapp 5 Milliarden Dollar jährlich in die Staatskasse, heute sind es noch wenige 100 Millionen. Damit gingen auch zigtausende Arbeitsplätze verloren. Der Krieg in der Ukraine hat zudem zu einer weiteren Verknappung wichtiger Güter geführt. Doch das allein reicht nicht aus, um das Ausmaß der Wirtschaftskrise zu erklären. Die Politik der Regierung hat dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Dazu ist ein Blick auf die besonderen innenpolitischen Konstellationen wichtig.

Garant für Stabilität am Nullpunkt

Das Land befindet sich seit langem in der Hand der Familie Rajapaksa. Gotabaya Rajapaksa reagiert seit 2019, dem Jahr der Osteranschläge, als Präsident, sein älterer Bruder Mahinda ist der Ministerpräsident. Er bekleidete das Amt des Staatspräsidenten von 2005-2015, wobei der jetzige Präsident als Verteidigungsminister amtierte. Ein weiterer Bruder, Basil, wurde Finanzminister und ein vierter, Chamal, Landwirtschaftsminister; der Vater war ebenfalls Minister. Die Dynastie galt lange als Garant für Stabilität.

Inzwischen jedoch ist deren Popularität auf einem Nullpunkt angekommen. Ihnen wird persönlich schwere Korruption und politisch vollständiges Versagen vorgeworfen. Sie sollen erhebliche Gelder veruntreut und außer Landes geschafft haben. Eine der wichtigsten Forderungen der Massendemonstrationen lautet denn auch, diese Gelder ins Land zurückzuholen und dem Volk zu geben. Zudem hat ihre Politik die aktuelle Krise befeuert. Eine der ersten Maßnahmen von Präsident Gotabaya Rajapaksa war eine massive Steuersenkung. Das kam bei den Reichen gut an, riss jedoch Löcher in die Staatskasse, die nicht gestopft werden konnten.

Die Wirtschaft liegt am Boden

Übereilte Reformen in der Landwirtschaft wie das Verbot von anorganischem Dünger, sorgten für einen drastischen Ernterückgang und steigende Preise für Grundnahrungsmittel. Um der Finanzkrise zu begegnen, druckte die Regierung einfach mehr Geld und heizte damit die Inflation an. Eine weitere Folge war die starke Abwertung der Landeswährung, durch die wichtige Importe wie Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff weiter verteuert wurden. Als zu diesen hausgemachten Problemen die internationalen Krisen mit Corona und dem Krieg in der Ukraine kamen, brach die Wirtschaft zusammen.

Die staatliche Schuldenlast beträgt mehr als 50 Milliarden US-Dollar, die Devisen-Reserven liegen aktuell noch bei 1,9 Milliarden Dollar und reichen bei weitem nicht, um die in diesem Jahr fälligen sieben Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten aufzubringen. Noch klammert sich die Familie Rajapaksa an die Macht. Der Präsident hat den Notstand ausgerufen und damit wichtige Grundgesetze außer Kraft gesetzt, die sozialen Netzwerke sind massiv eingeschränkt, um die Mobilisierung für die Demonstrationen zu erschweren und die Sicherheitskräfte gehen mit Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Massendemonstrationen vor. Doch es wird immer einsamer um den Präsidenten.

Allein auf weiter Flur

Zahlreiche Minister haben seinem Kabinett den Rücken gekehrt, darunter sogar sein Bruder, Finanzminister Basil Rajapaksa. In seiner Not hat Gotabaya Rajapaksa die Opposition aufgefordert, seinem Kabinett beizutreten, was kategorisch abgelehnt wurde. Sie beharrt auf seinem Rücktritt. Beobachter vermuten, nicht die Verantwortung, sondern die Angst vor Korruptionsprozessen hindere die Familie Rajapaksa daran, sich aus der verfahrenen Situation zurückzuziehen.

Für Irritationen sorgt auch der kürzlich veröffentlichte offizielle Bericht zu den Osteranschlägen. Unbestritten ist, dass IS und NTJ für diese Barbarei verantwortlich sind. So wurde denn auch Anklage gegen 25 Muslime erhoben, die verdächtigt werden, für die Planung und Durchführung mitverantwortlich zu sein. Kontrovers ist aber die Frage: Was haben die Behörden im Vorfeld gewusst und hätten sie die Anschläge verhindern können?

Informationen versandet

Die Attentäter hatten über indische Quellen tausende Tonnen Sprengstoff und Zündkabel organisiert. Darüber hatte der indische Geheimdienst die Kollegen in Sri Lankas genau informiert und vor einem schweren Anschlag gewarnt. Dort jedoch waren die Informationen versandet. Aus Schlamperei, aus einer Fehleinschätzung der Bedrohung, oder gar aus politischem Kalkül? Dieser böse Verdacht steht im Raum, denn es war Vorwahlkampf in Sri Lanka.

Für den November standen Präsidentschaftswahlen an, und die Rajapaksa-Dynastie hatte sich in Stellung gebracht. Hat sie darauf spekuliert, dass eine Krisensituation, den Ruf nach Sicherheit und Stabilität erhöhen würde? Sollte es dieses Kalkül gegeben haben, ist es aufgegangen. Gotabaya Rajapaksa wurde im ersten Wahlgang mit 52,25 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt.

Mit Rajapaksa-Dynastie kommt keine Ruhe ins Land

Der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, macht deutlich, dass er derartige Zusammenhänge für plausibel hält: „Jener Wahlkandidat, Gotabaya Rajapaksa, der nach den Anschlägen am lautesten Stabilität und Sicherheit versprochen hat, ist nun Präsident des Landes. Da kann man 1 und 1 zusammenzählen.“ 

Kardinal Malcolm Ranjith gilt gewöhnlich als Mann des Ausgleichs, der unmittelbar nach den Anschlägen durch seine Autorität Racheakte an den Muslimen unterbunden hat. Er betont, dass es Gerechtigkeit für die Opfer erst dann geben kann, wenn die Hintergründe des Attentats vollständig aufgeklärt seien. Dies sei man den Ermordeten schuldig. Im staatlichen Untersuchungsbericht heißt es: „Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um zu klären, ob entsprechende Interessensgruppen bewusst nicht aufgrund der Informationen des Nachrichtendienstes handelten, um im Land Angst und Unsicherheit zu verbreiten.“ Daran knüpft Kardinal Ranjith an und fordert, dass diese Empfehlungen umgesetzt werden. Womöglich geschieht dies erst, wenn die Rajapaksa-Dynastie die einzig mögliche Konsequenz  zieht und endgültig abtritt.

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