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„Selektion auf Kasse darf nicht zur Routine werden“

Mannheimer Frauenarzt Michael Kiworr mahnt Ärzte zur Wachsamkeit angesichts der Aufnahme nicht-invasiver Pränataltests in den Leistungskatalog der Krankenkassen.
Down-Syndrom-Bluttest
Foto: Tobias Kleinschmidt (dpa) | Mit den bislang erhältlichen nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) kann anhand einer Blutprobe der Mutter festgestellt werden, ob ihr noch nicht geborenes Kind eine der drei häufigsten chromosomalen Besonderheiten ...

Ab morgen (Freitag) übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Bluttests, mit denen sich im Blut der Schwangeren nach Trisomien des Kindes fahnden lässt. Bei Menschen mit Trisomien liegt ein einzelnes Chromosom dreifach in den Zellen, statt wie üblich, zweifach vor.

Mit den bislang erhältlichen nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) kann anhand einer Blutprobe der Mutter festgestellt werden, ob ihr noch nicht geborenes Kind eine der drei häufigsten chromosomalen Besonderheiten besitzt. Das sind die 21 (Down-Syndrom), 13 (Patau-Syndrom),18 (Edward-Syndrom) aufweist. Auch Störungen der Geschlechterchromosomen sowie das Geschlecht des Kindes lassen sich mittels NIPT feststellen, wobei Ärzte gehalten sind, Letzteres Eltern erst nach der 12. Schwangerschaftswoche mitzuteilen.

Eltern sehen sich subtilem Druck ausgesetzt

Der Mannheimer Gynäkologen Michael Kiworr zeigt sich besorgt über die Aufnahme der Bluttests in den Leistungskatalog der Krankenkassen. „Die Zuteilung einer Kassenziffer wird oft als moralische Adelung eines medizinischen Verfahrens angesehen“, sagte der Frauenarzt, der auch Mitglied der „Ärzte für das Leben e.V.“ ist, heute in Berlin. Viele Eltern dächten: „Was kann an einer Methode schlimm sein, wenn die Kasse dafür bezahlt?“

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„Es geht aber noch weiter“, sagt Kiworr, „denn gehört ein Test zur Regelversorgung entsteht ein subtiler Druck, diesen auch in Anspruch zu nehmen“. Bereits heute sähen sich Eltern von Down-Kindern oft mit dem Vorwurf konfrontiert, „ob sowas noch sein muss“. Und obwohl es noch keine politischen Bestrebungen in die Richtung gebe, wäre es naiv auszublenden, dass irgendwann die Frage aufkommen könnte, ob die Solidargemeinschaft für die medizinische Versorgung eines Menschen mit Down-Syndrom aufkommen muss, dessen Geburt „vermeidbar“ gewesen wäre.

Rasterfahndung ist mit der hippokratischen Tradition des Arztberufes unvereinbar

 „Deshalb appellieren wir an unsere Kolleginnen und Kollegen, die ethische Tragweite des vorgeburtlichen Gentests trotz Kassenziffer nicht aus den Augen zu verlieren und vorher mit den Eltern die Implikationen eines auffälligen Testergebnisses ergebnisoffen zu besprechen.“ Lehnten Eltern von vorneherein eine Abtreibung ab, so habe auch der Test meist wenig Sinn. „Leider erfolgt diese Aufklärung oft auf unzureichender Weise“, so Kiworr, „so dass Eltern in einen Zugzwang geraten, der mit Ängsten und Unsicherheiten behaftet ist. Zudem muss mit den Eltern besprochen werden, dass ein unauffälliges Testergebnis keine Garantie liefert, dass mit ihrem Kind ,alles in Ordnung ist‘. Gerade letzteres wird von vielen Eltern angenommen, obwohl der Test nicht-chromosomale Störungen gar nicht erfassen kann“.

„Eine Sensibilisierung der Ärzteschaft ist dringend nötig, denn die Feststellung von chromosomalen Störungen ist nur der Anfang“, so Kiworr. „Mit der Verfeinerung der genetischen Diagnostik wird es bald möglich sein, viele genetische Abweichungen mittels NIPT festzustellen. Eine Rasterfahndung der genetischen Andersartigkeit kann keiner sich wünschen und wäre auch mit der hippokratischen Tradition, die allen Menschen gleichermaßen achtet, nicht vereinbar. Deshalb müssen wir Ärzte wachsam bleiben: Selektion auf Kasse darf nicht zur Routine werden.“  DT/reh

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