Wissenschaftler der Oregon Health and Science University in Portland (OHSU) ist es gelungen, funktionsfähige Eizellen aus menschlichen Hautzellen herzustellen. Wie die Universität vergangene Woche bekannt gab, hätten Forscher um Nuria Marti Gutierrez „einen einzigartigen Proof of Concept zur Behandlung von Unfruchtbarkeit erzielt, indem sie Hautzellen in Eizellen umwandelten, aus denen frühe menschliche Embryonen erzeugt werden können“. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
US-amerikanische Lebensrechtler übten Kritik an dem Experiment. Die Arbeit werde „als wichtiger Fortschritt auf dem Weg zu einer Lösung für Unfruchtbarkeit dargestellt“, erklärt Lois Anderson, Geschäftsführerin der Lebensrechtsorganisation „Oregon Right to Life.“ „In Wirklichkeit“ vermittele das Experiment „ein düsteres Bild von Forschung, die unter völliger Missachtung der Menschenwürde durchgeführt wurde“. Bei dem Experiment hätten die Forscher „82 einzigartige menschliche Leben“ erzeugt, „die keine Möglichkeit hatten, ihre Zustimmung zu geben, um ethisch bedenkliche Experimente durchzuführen und sie dann sterben zu lassen“, so Anderson weiter.
Der Ausgangspunkt: 270 gespendete Eizellen
Für das Experiment entkernte das Team um Gutierrez zunächst 270 von Frauen gespendete Eizellen. In die entkernten Eizellen brachten sie anschließend die Zellkerne von Hautzellen ein. Der Plan: Durch das Zytoplasma der Spendereizelle angeregt, sollte der implantierte Hautzellkern die Hälfte seiner Chromosomen abstoßen und eine haploide Eizelle mit einem Satz von 23 Chromosomen ergeben, anstelle der in Körperzellen vorliegenden 46 Chromosomen.
Wie die Forscher schreiben, hätten sie auf diese Weise „82 funktionsfähige“ künstliche Eizellen erhalten. Anschließend befruchteten die Forscher die künstlichen Eizellen mit Spendersamen im Rahmen eines Standard-IVF-Verfahrens. Dabei erzeugten sie diploide Embryonen mit zwei Chromosomensätzen, aus dem im besten Fall gesunde Nachkommen mit gleichen genetischen Beiträgen beider Elternteile hervorgehen können.
Abbruch des Experiments nach sechs Tagen
Allerdings seien, wie die Forscher weiter schreiben, die allermeisten Embryonen nicht über das vier- bis acht-Zell-Stadium hinausgekommen und wiesen schwere Chromosomenanomalien auf. Nur 8,8 Prozent, etwa jede Zehnte, entwickelten sich bis zum Blastozystenstadium, in dem bei künstlichen Befruchtungen erzeugte Embryonen normalerweise in den Uterus transplantiert werden. Auch sie wiesen alle Chromosomenschäden auf. Nach sechs Tagen wurde das Experiment abgebrochen.
„Wir haben etwas erreicht, was als unmöglich galt“, sagte der Direktor des OHSU-„Center for Embryonic Cell and Gene Therapy“, Shoukhrat Mitalipov. „Die Natur hat uns zwei Methoden der Zellteilung geschenkt, und wir haben nun eine dritte entwickelt.“ Die Forscher bezeichnen ihre Technik als „Mitomeiose“ und spielen damit auf die Kombination der beiden wichtigsten bekannten Prozesse der Zellteilung in der Biologie an, Mitose und Meiose.
Forscher halten ein Jahrzehnt weiterer Forschung für erforderlich
Die Mitose erzeugt aus einer einzigen Zelle zwei genetisch identische Zellen und bildet damit die Grundlage für das Zellwachstum in jedem lebenden Organismus. Die Meiose (Reifeteilung) ist ein Prozess der Zellteilung. Bei der Spermatogenese, der Bildung von Spermien, und der Oogenese, der Bildung von Eizellen entstehen dabei aus einer diploiden Vorläuferzelle mit 46 Chromosomen durch Verdoppelung und Teilung vier Tochterzellen mit einem haploiden Chromosomensatz (23 Chromosomen).
Die Forscher schätzen, dass es „ein Jahrzehnt weiterer Forschung“ brauche, „bevor der Ansatz als sicher oder wirksam genug angesehen werden kann, um zu einer klinischen Studie überzugehen.“ In den USA ist das reproduktive Klonen verboten.
Menschliche Leben wie ein Wegwerfprodukt behandelt
Die OHSU sei „dafür bekannt, die Grenzen der ethischen Forschung und Behandlung ungeborenen menschlichen Lebens auszureizen“. „Die dort tätigen Ärzte führen bereits extreme Spätabtreibungen an Babys durch, die Schmerzen empfinden und außerhalb des Mutterleibs überleben können“, erklärte Anderson. „Unethische Forschung wie diese behandelt menschliches Leben wie ein Wegwerfprodukt. Wir lehnen diese gefährliche Fehlauffassung vom Wert des menschlichen Lebens zutiefst ab und bedauern, dass sie von denen übernommen wird, die sich eigentlich dafür einsetzen sollten, Leben zu retten, anstatt es zu zerstören.“
„Im Gegensatz zur OHSU und ihrem Forschungsteam glauben wir, dass jeder Mensch es verdient, mit Würde und Respekt behandelt zu werden, und dass sein Leben immer geschützt werden sollte.“ Experimente wie das von OHSU-Forschern durchgeführte seien „äußerst problematisch, da sie einzigartige und unwiederholbare Leben wie Waren behandeln, die nach Belieben geschaffen und zerstört werden können“, so Anderson abschließend. DT/reh
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