Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Heidelberg

Selbstbestimmung ist zu wenig

Der Medizinethiker Axel W. Bauer analysiert im Gespräch mit der Tagespost den Begriff „Selbstbestimmung“, den das Bundesverfassungsgericht verwendet. 
Aussenaufnahme des Bundesverfassungsgerichtes
Foto: Uli Deck (dpa) | Aussenaufnahme des Bundesverfassungsgerichtes.

Deutliche Kritik übte Prälat Peter Neher am Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe aufgehoben hatte. Er halte die Entscheidung für problematisch, sagte der Prälat im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, weil sie das Selbstbestimmungsrecht letztlich als einziges Kriterium über Tod und Leben nenne.

Es kann auch der Ruf nach Nähe sein

Selbstbestimmtheit, führt er weiter aus, setze voraus, dass jeder Suizidwunsch aus einer selbstbestimmten Haltung heraus geäußert werde. Dies sei zu hinterfragen. „Wenn jemand unter großen Schmerzen leidet oder sich in tiefer Einsamkeit befindet, frage ich mich, ob dessen Selbstbestimmung tatsächlich so leitend ist oder ob es nicht letztlich ein Ruf nach Leben, nach Zuwendung, nach Hilfe, nach Unterstützung, nach Nähe ist.“, betont der Caritaspräsident im Interview. 

Lesen Sie auch:

Nicht rational und trotzdem selbstbestimmt

Kritisch hinterfragte Axel W. Bauer im Interview mit dieser Zeitung den Begriff „Selbstbestimmmung“, den das Bundesverfassungsgericht verwendet. Der Medizinethiker grenzt den Begriff von der Kantischen Autonomie ab. „Die Kantische Autonomie ist das Gegenteil einer Form der Selbstbestimmung, die in die Beliebigkeit mündet.“, so Bauer gegenüber dieser Zeitung.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil klargestellt, dass es möglich sein müsse, dass jemand aus der Perspektive anderer Menschen nicht rational handele und dennoch seine Selbstbestimmung wahrnehme. Darüber hinaus zeigt Bauer im Gespräch die Grenzen der Palliativmedizin auf und nennt Gründe, warum diese nicht in jedem Falle das Nonplusultra gegen Sterbehilfe ist.


DT/pwi

Lesen Sie das ganze Interview mit dem Medizinethiker Axel W. Bauer in der kommenden Ausgabe der Tagespost. Holen Sie sich das ePaper dieser Ausgabe

Themen & Autoren
Redaktion Suizidhilfe

Weitere Artikel

Statt Palliativmedizin und Suizidhilfe immer weiter miteinander zu verzahnen, sollte die Expertise der Medizinethiker in ambitioniertere Projekte fließen.
12.12.2025, 07 Uhr
Stefan Rehder
Die Slowenen kippen ein Gesetz zum assistierten Suizid und zeigen, dass sich der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen eine inhumane und phantasielose Politik lohnt.
24.11.2025, 11 Uhr
Stefan Rehder
Vor fünf Jahren starb der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Kurz vor seinem Tod erschien seine lesenswerte Kritik des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidhilfe.
17.07.2025, 21 Uhr
Josef Bordat

Kirche

Die Mönchsgemeinschaft von Neuzelle im Bistum Görlitz baut ein Kloster. Im neuen Jahr wollen die Mönche in ein Übergangsquartier umziehen.
30.12.2025, 13 Uhr
Oliver Gierens
Für Leo XIV. durchlebt die Welt eine Phase starker Konflikte, in der viele Mächte das schüren, was Franziskus als „Dritten Weltkrieg in Stücken“ bezeichnet hat.
30.12.2025, 14 Uhr
Redaktion
Die Marienverehrung braucht das Korrektiv der akademischen Theologie. Die Gründung des neuen Instituts für Mariologie ist daher eine gute Nachricht.
30.12.2025, 11 Uhr
Regina Einig
Ein unvergessener Papst, eine unvergessene Enzyklika: Vor 20 Jahren veröffentlichte Benedikt XVI. „Deus caritas est“.
29.12.2025, 07 Uhr
Christoph Münch