Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Seit 2015 nichts dazugelernt?

Von christlich überwachten Diskussionsverboten im Kommunalwahlkampf bis zu ignoranten Reaktionen auf den Tod einer 16-Jährigen: deutsche Politik wirkt auf Außenstehende zurecht bizarr.
Plakat im Kommunalwahlkampf in Köln
Foto: IMAGO / Guido Schiefer | Für Sicherheit, und dann auch noch kompromisslos - dürfen die das? Dass die CDU im Wahlkampf einen Flyer „NEIN zur Großunterkunft.

Die spinnen, die Deutschen – aber wenigstens nicht allein? Wenn es nach dem über sein Netzwerk „X“ mit erheblicher Meinungsmacht ausgestatteten Tech-Milliardär Elon Musk geht, wird in Großbritannien gerade die Meinungsfreiheit abgeschafft, und in Deutschland die Demokratie. Nun könnte man die politischen Einlassungen eines größenwahnsinnigen Diskurscowboys natürlich getrost ignorieren – oder man könnte zur Kenntnis nehmen, dass deutsche Innenpolitik international deshalb verstärkt in den Fokus rückt, weil sie für Außenstehende (und beileibe nicht nur für Musk) wirklich bizarr wirkt.

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Da wird auf inhaltlich eher schwacher Basis ein Bürgermeisterkandidat der größten Oppositionspartei ausgeschlossen (in Ludwigshafen). Da wird ein Kommunalwahl-Abkommen von allen Parteien außer der AfD abgeschlossen, das vorsieht, Migration im Wahlkampf nicht mit der inneren Sicherheit in Verbindung zu bringen, und das ausgerechnet in Köln (erinnert sich noch jemand an die „Silvesternacht“?). Gleichzeitig wird ein neues, grauenhaftes Verbrechen im niedersächsischen Friedland bekannt, bei dem eine 16-Jährige mutmaßlich von einem ausreisepflichtigen, abgelehnten Asylbewerber gegen einen durchfahrenden Zug gestoßen wurde und verstarb; ein Vorfall, der im Bundestagswahlkampf wohl noch für gemeinsame Abstimmungen mit Rechtspopulisten gereicht hätte, nun aber vom Kanzler nicht einmal zur Kenntnis genommen wird. Der örtliche SPD-Bürgermeister spricht zunächst von einem „Unglücksfall“ und verweist reflexartig darauf, dass „Hass und Hetze“ keine Lösung sei. Die Gruppe „Friedland ist bunt“ kündigt mit der Bemerkung „im Moment so aktuell wie immer“ flugs einen „Workshop gegen rassistische Parolen und rechtsextreme Behauptungen“ an. Das alles ist doch, zumal zehn Jahre nach 2015, objektiv seltsam. Die Probleme der Asylzuwanderung zu ignorieren und gleichzeitig die Partei, die wie keine andere für das Thema steht, aus dem demokratischen Prozess zu drängen, kann in Summe kein zukunftsträchtiges Rezept sein.

Schließlich: Von christlicher Warte wird rund um den Komplex Migration-Asyl-AfD gern auf die Menschenwürde Bezug genommen; ein guter Impuls. Aber verpflichtet dies wirklich zur Errichtung und Überwachung von Diskussionsverboten? Dass in Köln der evangelische Stadtsuperintendent und der Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses die Einhaltung des Kommunalwahl-„Fairnessabkommens“ kontrollieren, ist jedenfalls ein weiteres Kuriosum, das man im Jahr 2025 auch in einer „Domstadt“ nicht unbedingt erwartet hätte.

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