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Schwarze Schafe im Europaparlament

Im Korruptionsfall um die griechische Sozialistin Eva Kaili steht die moralische Autorität des Europäischen Parlaments auf dem Spiel.
Korruptionsfall um die griechische Sozialistin Eva Kaili
Foto: Eric Vidal (European Parliament) | Wurde wegen „der bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche“ festgenommen: einer der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, die griechische Sozialistin Eva Kaili.

Seit eine Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, in Belgien wegen des Verdachts „der bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche“ festgenommen wurde, stehen viele unter Schock: Zunächst die griechischen Sozialisten, die ihre bisherige europäische Frontfrau am Freitag kurzerhand aus ihrer Partei PASOK ausschlossen. Dann die europäischen Sozialdemokraten, zu deren Spitzenrepräsentantinnen die linke Griechin in Brüssel und Straßburg gehörte. Aber darüber hinaus all jene, die das Europäische Parlament nicht als bloße Kammer der EU-Gesetzgebung sehen, sondern auch als moralische Instanz, als Hüter der Werte des vereinten Europas.

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Kein Zweifel: Sollte die ehemalige Journalistin und Nachrichtensprecherin, die dem Europäischen Parlament seit 2014 angehört, tatsächlich von einem Golfstaat (mutmaßlich Katar) hohe Geldbeträge und hochwertige Geschenke angenommen haben, dann handelt es sich zunächst um einen Kriminalfall. Auch Kailis Lebensgefährte und weitere Europaabgeordnete sind im Visier der belgischen Justiz. Laut Medienberichten wurde zudem der sozialdemokratische belgische Europaabgeordnete Marc Tarabella verhört, der wegen seines kämpferischen Einsatzes für ein „Recht auf Abtreibung“ europaweit Bekanntheit erlangte.

Können parlamentarische Entscheidungen gekauft werden?

Lückenlose Aufklärung ist unerlässlich. Und das Europäische Parlament, das heute zu einer viertägigen Plenarsitzung in Straßburg zusammentritt, täte gut daran, diese nicht allein der belgischen Justiz zu überlassen. Wenn die Völkerkammer der EU-Legislative seinen Ruf retten will, muss sie sofort in die Offensive gehen. Klare Regeln für Nebentätigkeiten und Transparenz gibt es bereits. Bei der Kontrolle der Einhaltung dieser Regeln ist aber offensichtlich noch reichlich Luft nach oben.

Gewiss ist es illusorisch, 705 Politiker – und das sind Abgeordnete nun einmal – durch Vorschriften und deren Kontrolle zu heiligmäßigem Verhalten anleiten zu können. Dass es in einem Parlament dieser Größenordnung immer auch schwarze Schafe geben wird, ist naheliegend. Doch ein Parlament, das regelmäßig die Korruption irgendwo auf der Welt und bei Regierungen der EU-Mitgliedstaaten scharf anprangert, muss auch klare Konsequenzen ziehen, wenn die schwarzen Schafe im eigenen Plenarsaal wandeln. Wenn auch nur der geringste Verdacht bleibt, dass Entscheidungen des Europäischen Parlaments erschwindelt oder gekauft werden können, ist es mit der moralischen Autorität des Parlaments vorbei.

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Stephan Baier

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