Nach Berichten der britischen Tageszeitungen The Times und Daily Mail hat ein 60-seitiger Zwischenbericht des National Trust for Scotland mit dem Titel „Facing Our Past“ ergeben, dass ein Drittel der bedeutendsten schottischen Schlösser, Denkmäler, Gärten und weiterer Stätten des kulturellen Erbes Schottlands in Zusammenhang mit dem Sklavenhandel früherer Jahrhunderte steht.
Finanziert mit dem Geld von Sklavenhaltern
So ergab das Gutachten über 48 Liegenschaften in Schottland laut The Times, dass „viele von ihnen mit Geld finanziert wurden, das von wohlhabenden schottischen Siedlern von den Zuckerplantagen der karibischen Inseln oder den Tabakfeldern der US-amerikanischen Südstaaten nach Hause gebracht wurde, die sich auf Sklavenarbeit im 18. und 19. Jahrhundert stützten“.
Der National Trust for Scotland ist eine private gemeinnützige Stiftung zur Erhaltung und Pflege von Kultur- und Naturdenkmälern in Schottland. Er betreibt einige der beliebtesten Besucherattraktionen des Landes. Der Times zufolge sagte Jennifer Melville, die Leiterin des Forschungsteams des National Trust, dass sich der vorliegende Bericht darauf richtet, ein besseres Verständnis für die Geschichte und den Hintergrund der Schotten zu erlangen, die diese Stätten des kulturellen Erbes erbauten oder restaurierten. „Dieses kulturelle Erbe ist durch das Leiden anderer erschaffen, restauriert oder finanziert worden“, erklärt Melville. Der Bericht sei nach den Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung initiiert worden, wie die Daily Mail hervorhebt.
Zu den 48 umstrittenen Bauwerken gehöre unter anderem das bei Touristen als Sehenswürdigkeit beliebte Glenfinnan Monument, ein 18 Meter hoher Turm, der an den Jakobitenaufstand von 1719 erinnert, wie ein Beitrag der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ präzisiert. Laut dem Report des National Trust soll der Turm deswegen mit dem Sklavenhandel in Verbindung stehen, weil er von Sandy Macdonald errichtet wurde, einem reichen Geschäftsmann, der in Jamaika auf dem Höhepunkt des Sklavenhandels zu seinem Vermögen kam.
Britischer Historiker übt Kritik
Der Bericht hinterfrage zudem die Rolle, die manche einflussreichen Persönlichkeiten der Epoche spielten, wie beispielsweise Charles Edward Stuart, der an zweiter Stelle stehende Prätendent auf den schottischen und englischen Thron. Laut Figaro müsse man – um das „Problem“ zu verstehen - ins Jahr 1745 zurückgehen, kurz vor die Schlacht von Culloden, die Charles, der den Beinamen „Bonnie Prince Charlie“ trug, verlor. Dieser sei nämlich - wie das Dokument von Jennifer Melville unterstreicht – „von Nantes aus – einem durch den transatlantischen Sklavenhandel stark frequentierten Hafen – im Sommer 1745 auf einem französischen Sklavenschiff zu den Hebriden gefahren“. Das Schiff habe, so das Dokument weiter, „dem reichen Reeder, Sklavenhändler und Plantagenbesitzer irischer Herkunft, Antoine Walsh“ gehört.
Kritik an dem Report des National Trust kommt von dem britischen Historiker und emeritierten Professor für französische Geschichte an der University of Cambridge, Robert Tombs. In einem Beitrag für The Telegraph mit der Überschrift „Why cancel Bonnie Prince Charlie now?“ schreibt er: „Sich auf die Sklaverei zu konzentrieren und gleichzeitig viele andere Mängel zu ignorieren, entlarvt die Torheit des woken Geschichtsbildes“. Dies scheine das einzige zu sein, führt Tombs weiter aus, „das das moderne Gewissen berührt. Doch der Sklavenhandel wurde weitgehend als ein schlechtes Geschäft betrachtet, selbst in dieser Zeit schon“. DT/ks
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