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In den USA entsteht die erste „anti-woke“ Universität

Im texanischen Austin entsteht derzeit die erste Universität, die sich gegen die „woken“ Tendenzen an den Bildungseinrichtungen der USA wendet. Gründer ist der ehemalige Rektor einer katholischen Privatuniversität.
Harvard-Universität
Foto: Cj Gunther (EPA) | Ist das Streben nach Wahrheit wirklich noch eines der Hauptziele renommierter Universität wie der Harvard University? Oder sind sie längst "woke" geworden.

Auf der Webseite „Common Sense with Bari Weiss“ stellt der ehemalige Rektor der Privatuniversität St. John’s University, Pano Kanelos, dar, weshalb er sein Amt aufgegeben hat und mit anderen Mitstreitern die erste „anti-woke“ Universität gründet. 

Kanelos erinnert an die große Kluft zwischen „dem Versprechen und der Realität der Hochschulbildung“ in den USA: „Yales Motto ist Lux et Veritas, Licht und Wahrheit. Harvard verkündet: Veritas. Jungen Männern und Frauen in Stanford wird erzählt, Die Luft der Freiheit weht“.

Illiberalismus als allgegenwärtiges Merkmal

Doch könne man wirklich behaupten, fragt Kanelos, dass „an diesen Spitzenhochschulen und an so vielen anderen das Streben nach Wahrheit – eines der zentralen Ziele einer Universität – die höchste Tugend bleibt? Glauben wir wirklich, dass das wichtigste Mittel zu diesem Zweck –die Freiheit der Wissenschaft und des gesellschaftlichen Diskurses – Vorrang hat, wenn der Illiberalismus zum allgegenwärtigen Merkmal des Campuslebens geworden ist?“

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Jüngste Umfrageergebnisse zeigten, dass „fast ein Viertel der amerikanischen Akademiker in den Sozial- oder Geisteswissenschaften befürworten, einen Kollegen seines Amtes zu entheben, weil er eine falsche Meinung über brisante Themen wie Immigration oder Geschlechtsunterschiede hat. Mehr als ein Drittel der konservativen Akademiker und Doktoranden sagen, sie seien wegen ihrer Ansichten mit Disziplinarmaßnahmen bedroht worden. Vier von fünf amerikanischen Doktoranden sind nach einem Bericht des Center for the Study of Partisanship and Ideology bereit, rechtsgerichtete Wissenschaftler zu diskriminieren“. Unter Studenten sähe es „sogar noch trostloser“ aus. Fast 70 Prozent von ihnen hielten es laut einer Umfrage für gut, Hochschullehrer zu melden, wenn diese etwas sagten, was die Studenten für beleidigend halten.

In den Universitäten würden manche Dozenten für „Gedankenverbrecher“ gehalten, fährt der Autor fort. So etwa Dorian Abbot, der Aspekten der positiven Diskriminierung widersprach und deshalb vom MIT kürzlich von einem Vortrag über das Klima ausgeladen wurde, oder auch Kathleen Stock, Professorin an der University of Sussex, die gerade erst von ihrem Posten zurücktrat, nachdem sie wegen ihrer Forschung über Geschlecht und Gender massiv bedroht worden war.

Angst kann auch in freier Gesellschaft heimisch werden

Man habe gedacht, stellt Kanelos fest, dass eine derartige kritische Prüfung „nur unter repressiven Regimes in entfernten Ländern möglich“ sei. Doch es stelle sich heraus, „dass diese Angst auch in einer freien Gesellschaft heimisch werden kann“. Unsere Demokratie sei in wesentlichen Teilen im Schwanken begriffen, „weil unser Bildungssystem illiberal geworden ist und Bürger und Verantwortliche produziert, die unfähig und unwillig sind, am Kerngeschäft des demokratischen Handelns teilzuhaben“.

Doch wenn die Universitäten „nicht offen und pluralistisch“ seien, „wenn sie vom Sprechen abschrecken und diejenigen mit unpopulären Standpunkten ächten, wenn sie Wissenschaftler dazu bringen, ganze Themengebiete aus Angst zu vermeiden, wenn sie emotionalem Wohlbefinden den Vorrang vor der oftmals unbequemen Suche nach der Wahrheit geben – wer bleibt dann übrig, um den Diskurs zu gestalten, der erforderlich ist, um die Freiheit in einer sich selbstverwaltenden Gesellschaft aufrechtzuerhalten?“

Man habe nun lange genug darauf gewartet, dass sich die Universitäten wieder änderten und sich selbst in Ordnung brächten: „Und so bauen wir sie von Neuem auf“, kündigt Kanelos an. Vor drei Monaten sei er von seinem Amt als Rektor der katholischen St. John’s University in Annapolis zurückgetreten, um nun mit anderen die neue Universität im texanischen Austin aufzubauen. Zu seinen Mitstreitern gehören, so Kanelos weiter, der Historiker Niall Ferguson, die Journalistin Bari Weiss, die ehemalige Professorin Kathleen Stock, der Geophysiker und Assistenzprofessor Dorian Abbot, sowie weitere führende Wissenschaftler, prominente Intellektuelle und Schriftsteller wie Steven Pinker und Jonathan Haidt, Ayaan Hirsi Ali und Sohrab Ahmari. Auch wenn sie alle unterschiedliche Hintergründe hätten: „Was uns eint, ist unsere gemeinsame Bestürzung über den Zustand der heutigen Hochschule sowie die Erkenntnis, dass wir auf die Kavallerie nicht länger warten können. Und so müssen wir selbst die Kavallerie sein“.

Weisheit in Dingen, die von Bestand sind

Natürlich mag es „retro – vielleicht sogar gegenkulturell“ anmuten, bemerkt Kanelos, wenn man in einer Zeit „massiver open online-Kurse und Fernunterrichts“ eine „reale Lehranstalt in einem realen Gebäude mit so wenig Bildschirmen wie möglich“ aufbaue. Doch „manchmal liegt die Weisheit in Dingen, die von Bestand sind“. Die Universität, wie wir sie kennen, fährt Kanelos fort, „ist eine Einrichtung, die im 11. Jahrhundert entstand. Die Tatsache, dass es Universitäten seit annähernd 1000 Jahren gibt – trotz des außergewöhnlichen Wandels im Charakter des Wissens und der Kommunikationstechnologie während dieser Zeit –, sagt uns etwas Wichtiges“.

Die Studenten der neuen Universität werden „der tiefsten Wahrheit der Zivilisation ausgesetzt werden und lernen, [traditionellen] Werken nicht nur als toten Traditionen zu begegnen, sondern als heftigen Kampf um die zeitlose Bedeutung, die den Menschen helfen zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, zwischen gut und böse, schön und hässlich“. Dieses Kernziel – „das unerschütterliche Streben nach Wahrheit“ -sei das „Herz der Bildung, seitdem Plato 387 v. Chr. seine Akademie gegründet hatte“. 

Die Gründer der neuen Universität „erwarten gegenüber diesem Projekt erheblichen Widerstand. Es gibt Netzwerke von Spendern, Stiftungen und Aktivisten, die den Status Quo verteidigen und fördern. Es gibt Eltern, die den Status Quo verlangen. Es gibt Studenten, die ihn, zusammen mit sogar noch stärkeren Restriktionen der akademischen Freiheit, fordern. Und es gibt Administratoren und Professoren, die sich von jeglicher Störung des Systems bedroht fühlen“. Doch man heiße „ihre Schmähungen willkommen“ und werde sie als Ehre betrachten. Es sei nun an der Zeit, betont Kanelos noch einmal, „den Sinngehalt jener alten Maximen wiederherzustellen. Licht. Wahrheit. Der Wind der Freiheit. Alle drei werden Sie in unserer neuen Universität in Austin vorfinden“.  DT/ks

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