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Schlimmer als gedacht

Warum die „Ökumenischen Stellungnahme der katholischen Bischöfe und evangelischen Leitenden Geistlichen in Niedersachsen und Bremen zur Suizidhilfe“ revidiert werden muss.
Kirchliche Zeugnis für das Leben und seine Unverfügbarkeit darf nicht verdunkelt werden
Foto: Jens Wolf (dpa-Zentralbild) | Das kirchliche Zeugnis für das Leben und seine Unverfügbarkeit darf nicht verdunkelt werden.

Ökumenische Erklärungen oder Stellungnahmen sind selten völlig eindeutig. Das kann auch gar nicht anders ein. Nicht selten verlangen sie zudem „Formelkompromisse“. Dabei ist die Einigung auf einen solchen Formelkompromiss in aller Regel kein Manko, sondern ein Plus. Denn Formelkompromisse ermöglichen es den beteiligten Parteien, in kontroversen Detailfragen keine „echten“ Kompromisse einzugehen, für die sie ihre jeweiligen Positionen aufgeben müssten, um fortan neu gefundene Positionen gemeinsam zu vertreten. Formelkompromisse erlauben also die Beschreibung gemeinsamer Standpunkte bei Beibehaltung eines Dissens in Detailfragen. So weit, so gut.

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Kein Formelkompromiss

In der kürzlich veröffentlichten „Ökumenischen Stellungnahme der katholischen Bischöfe und evangelischen Leitenden Geistlichen in Niedersachsen und Bremen zur Suizidhilfe“fand sich ein Satz, der auch ein Formelkompromiss hätte sein können. Er lautet: „Ob in Grenz- und Notsituationen ein Vollzug eines assistieren Suizids in kirchlichen Häusern geduldet werden kann, ist nicht pauschal beantwortbar; …“

Doch wie Recherchen des Kirchenressorts dieser Zeitung ergaben, ist dem nicht so. Und das ist ein Problem. Und zwar ein ernstes. Denn die katholische Kirche kann und muss die Frage, ob der Vollzug eines assistierten Suizids in kirchlichen Häusern geduldet kann, nicht nur pauschal beantworten. Sie hat es längst getan. Die Antwort lautet „Nein“. Ein assistierter Suizid kann in Einrichtungen, die sich in katholischer Trägerschaft befinden, niemals geduldet werden.

Das Zeugnis der Kirche darf nicht verdunkelt werden

Sowohl Papst Franziskus als auch Kurienkardinal Walter Kaspar und Ex-Caritaspräsident Peter Neher haben sich diesbezüglich längst unmissverständlich und mit dankenswerter Klarheit eindeutig geäußert. Dass, wie der „Tagespost“ nun von berufener Stelle versichert wurde, dies die Diözesanbischöfe von Osnabrück und Hildesheim, Bode und Wilmer sowie der Oldenburger Weihbischof Theising anders sehen, ist traurig genug. Schlimmer noch ist, dass dieser Satz, sollte es bei ihm bleiben, das Zeug hat, die katholische Kirche in Deutschland zu spalten und von der Weltkirche weiter zu entfernen.

Denn er rüttelt an der kirchlichen Lehre von der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens und verdunkelt letztlich genauso wie die nach langem Streit kassierte Ausstellung des Beratungsscheins das kirchliche Zeugnis für eben diese. Er muss daher revidiert werden. Und das besser schnell als spät.

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