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Nicaragua zementiert autoritäre Macht

Die aktuelle Verfassungsreform zielt auch darauf, die Tätigkeit der katholischen Kirche einzuschränken, ist die Kirche doch eine der wenigen verbleibenden Institutionen, die der Macht Ortegas kritisch gegenübersteht.
Daniel Ortega mit seiner Frau Rosario Murillo
Foto: IMAGO/Nicaragua Government (www.imago-images.de) | Ortega teilt sich künftig die Präsidentschaft formell mit seiner Frau und derzeitigen Vizepräsidentin Rosario Murillo.

Die jüngste Verfassungsreform in Nicaragua markiert einen Wendepunkt in der politischen Geschichte des Landes. Was offiziell als „Teilreform“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine nahezu vollständige Neugründung des Staates. Insgesamt wurden 38 Artikel aufgehoben und 143 der bestehenden 198 Artikel geändert. Diese radikalen Änderungen erfolgten unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben, die für derartige Reformen eine verfassungsgebende Versammlung verlangen.

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Die demokratische Grundordnung wird durch ein zentralisiertes System der Machtkontrolle ersetzt. Artikel 132 verleiht der Präsidentschaft die Kontrolle über Legislative, Judikative, Wahlorgane und öffentliche Verwaltung. Damit wird die Gewaltenteilung – ein Kernprinzip moderner Demokratien – faktisch aufgehoben, zugunsten eines Systems absoluter Exekutivgewalt. Diese Verfassungsänderungen wurden von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) als „illegitim“ kritisiert und als „Institutionalisierung einer ehelichen Diktatur“ verurteilt. Sogar die Sozialistische Internationale hat „ihre energischste Ablehnung der ernsten Situation in Nicaragua zum Ausdruck gebracht, wo die brutale Repression gegen die Bürger zugenommen hat und die Grundrechte und -freiheiten, die eine Demokratie stützen, beschnitten werden“.

Ortega teilt sich Präsidentschaft mit seiner Frau

Ortega teilt sich künftig die Präsidentschaft formell mit seiner Frau und derzeitigen Vizepräsidentin Rosario Murillo. Diese Einführung von „Ko-Präsidenten“, die gleiche Befugnisse besitzen, zielt darauf ab, die Macht des Ortega-Murillo-Clans langfristig zu sichern. Die Reform schafft die bisherige Position des Vizepräsidenten ab und eröffnet eine unbegrenzte Anzahl von Vizepräsidentschaften.

Oppositionelle Stimmen sollen systematisch unterdrückt werden. Die Integration paramilitärischer Gruppen als „Freiwillige Polizei“ legalisiert Organisationen, die bereits während der Proteste von 2018 für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren. Laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) haben diese Gruppen mindestens 355 Todesopfer zu verantworten. Diese Gesetzgebung widerspricht internationalen Standards für den Einsatz legitimer Gewalt und verstärkt den repressiven Charakter des Regimes.

Die katholische Kirche, eine der wenigen verbleibenden Institutionen, die der Macht Ortegas kritisch gegenübersteht, ist ein weiteres Ziel der Reformen. Ihre Tätigkeit kann unter dem Vorwand der „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ verboten und Kircheneigentum beschlagnahmt werden. Zudem wurden Priester und Ordensleute ausgewiesen oder verhaftet – zuletzt am 1. Dezember der Priester Floriano Ceferino Vargas aus der Diözese Bluefields in der südlichen Karibik von Nicaragua. In einem symbolischen Akt der Solidarität rief das bischöfliche Sekretariat für Mittelamerika (Sedac) zu einem gemeinsamen Gebetstag für Nicaragua auf. Auch Papst Franziskus hat seine Nähe zur nicaraguanischen Kirche bekräftigt: „Seid gewiss, dass Glaube und Hoffnung Wunder wirken.“

Staatenlosigkeit als Strafe für „Vaterlandsverräter"

Ein besonders kontroverser Punkt der Reform ist die Einführung der Staatenlosigkeit als Strafe für „Vaterlandsverräter“. Diese Maßnahme richtet sich vor allem gegen politische Gegner und verstößt gegen das Völkerrecht, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Der unabhängige Journalismus wird ebenfalls stark eingeschränkt. Unter dem Vorwand, Fake News zu bekämpfen, kontrolliert die Regierung Medieninhalte, was bereits zur Inhaftierung zahlreicher Journalisten geführt hat.

Der ehemalige nicaraguanische Abgeordnete und politische Analyst Eliseo Núñez sagte, diese Transformation der Verfassung stehe im krassen Widerspruch zu den Grundprinzipien der Demokratie.

Mit der Verlängerung der Amtszeit der Präsidenten von fünf auf sechs Jahre, der Schaffung der Ko-Präsidentschaft und der faktischen Abschaffung der Gewaltenteilung in Nicaragua markiert die neue Verfassung auch eine bedrohliche Entwicklung für Demokratie und Menschenrechte in der Region.

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