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„Neues Zeitalter der Unsicherheit“

Für eine neue Sicherheitspolitik in Europa werben Estlands Regierungschefin und der EU-Außenbeauftragte.
Die estnische Premierministerin Kaja Kallas
Foto: Pascal Bastien (AP) | Die estnische Premierministerin Kaja Kallas hält eine Rede während einer Debatte über die Rolle der EU und die Sicherheitslage in Europa nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Europäischen Parlament in ...

Wladimir Putin habe mit seiner Invasion in der Ukraine „ein neues Zeitalter der Unsicherheit eingeleitet“, so die Regierungschefin Estlands, Kaja Kallas, am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg. Die ukrainischen Streitkräfte würden einen erbitterten Widerstand leisten, den Putin gar nicht erwartet habe. Putin terrorisiere die Zivilbevölkerung, auch Kindergärten und Wohnhäuser, und er habe die Bevölkerung in Russland von der Wirklichkeit abgekoppelt. „Unsere Aufgabe ist es, die Lügen zu durchbrechen“, sagte Kallas, die an die Verantwortung der globalen Internetplattformen erinnerte.

An die Bürger Russlands gewandt erklärte Kallas: „Unsere Sanktionen richten sich nicht gegen Sie, sondern gegen Präsident Putin und seine Regierung. Wir hoffen immer noch auf ein friedliches, demokratisches Russland.“ Estlands Premierministerin sagte, in Russland würden heute Lehrer dazu aufgefordert, ihre Schüler zu denunzieren. Immer mehr internationale Unternehmen würden sich aus dem Land zurückziehen. „In Zukunft werden wir über eine Zeit vor und eine Zeit nach der Aggression sprechen.“

Wir haben Putin und uns selbst überrascht

In der Sicherheitspolitik habe sich in den zurückliegenden zwei Wochen mehr verändert als in den letzten 30 Jahren. „Wir haben Putin und uns selbst überrascht: Wir haben agiert als eine geopolitische Union“, so die Regierungschefin Estlands. Sie erinnerte in ihrer Rede auch daran, dass die Rote Armee vor 78 Jahren ihre Heimatstadt Tallinn (Reval) bombardierte.

Putins Russland erwarte heute, dass der Westen einen Rückzieher mache. Stattdessen müsse Europa jene unterstützen, die in der Ukraine Widerstand leisten. Es brauche eine „Politik der intelligenten Eindämmung“. Die EU müsse jetzt von russischem Öl und Gas unabhängig werden und das ukrainische Stromnetz an das kontinentale Netzwerk anschließen. Auch müsse es in Europa zur Mindestanforderung werden, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. „Ein stärkeres Europa bedeutet eine stärkere NATO.“ Die beste Art und Weise, den Frieden zu sichern, sei die eigene militärische Stärke. Die Ukraine sei 2014 und 2022 angegriffen worden, weil sie sich Europa zuwandte und ihren Platz in Europa suchte, so Kallas. „Die Ukraine kämpft nicht nur für die Ukraine, sondern für Europa.“

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Der Krieg wird Spuren hinterlassen

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell pflichtete in Straßburg der Premierministerin Estlands bei: „Wir haben Dinge getan, die wir uns vor einigen Tagen nicht hätten vorstellen können. Aber wir haben noch nicht genug getan.“ Europa müsse nun hart und deutlich auftreten und werde dafür auch einen Preis zu zahlen haben. Die Auswirkungen des Krieges würden lange andauern und etwa die Flüchtlingskrise und die Gasversorgung betreffen, so Borrell. Die EU müsse ihre Sicherheitspolitik überdenken. 

Putin hat nach Ansicht von Borrell gedacht, dass die Ukraine schwach sein würde, dass Europa gespalten reagieren würde und dass die USA zu stark mit China beschäftigt seien. Jetzt müsse die EU dafür sorgen, dass Putin seinen Krieg nicht mehr mit Einnahmen aus Europa finanzieren kann. Es gehe dabei um die Verteidigung der Demokratie, doch dafür müsse der Energiemix des gesamten Kontinents verändert werden.

Der Krieg werde „Spuren in der Geschichte hinterlassen“. Die Ukrainer müssten mit militärischen Mitteln unterstützt werden, forderte der Außenbeauftragte der EU. Die Europäische Union arbeite derzeit an weiteren wirtschaftlichen Sanktionen gegen zusätzliche Personen der russischen Herrschaftselite. Die EU wolle zudem Gespräche zwischen Russland und der Ukraine „unter dem Dach der Vereinten Nationen“ vermitteln, kündigte Borrell an. DT/sba

 

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