Die Ermittlungen laufen noch, wie sollte es nach so kurzer Zeit anders sein. Trotzdem lassen sich jetzt, gut 24 Stunden nach den Schüssen am israelischen Generalskonsulat in München, zumindest drei Punkte herausheben. Sie werden uns langfristig beschäftigen. Zuallererst: Jüdische Menschen und israelische Staatsangehörige müssen sich in Deutschland sicher fühlen. Und zwar ohne Wenn und Aber. Über den Satz von Angela Merkel, dass Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson gehöre, lässt sich trefflich streiten, wie er zu deuten sei. Und dieser Streit muss auch weiterhin in unserer Gesellschaft möglich sein. Aber eines ist klar: Nie wieder dürfen Juden Angst haben, in Deutschland zu leben – das ist die deutsche Staatsräson. Freilich darf es bei Beschwörungen nicht bleiben, Sicherheit ist keine Frage der wohlmeinenden Appelle, sondern der konkreten Taten. Für den Anfang würde schon ein gesellschaftlicher Konsens darüber ausreichen, von wem hier die größte Gefahr ausgeht.
Prävention ist unerlässlich
Und damit sind wir beim zweiten Punkt: dem Kampf gegen den islamistischen Terror. Der Täter von München ist 18 Jahre alt, also noch sehr jung. Und er kommt offenbar mitten aus der Gesellschaft, er hat bosnische Wurzeln und wurde 2006 in Österreich geboren. Nun hat man dschihadistische Literatur bei ihm gefunden. Das alle spricht für sukzessive Radikalisierung. Vor zwei Tagen noch wurde äußerst kritisch über ein Video das bayerischen Innenministeriums diskutiert, das junge Menschen vor den Gefahren des Salafismus warnen sollte. Schließlich zog man es zurück. Denn es war unzulänglich. Wir sehen nun, wie wichtig Prävention ist. Nur muss diese eben auch tatsächlich wirksam sein. Wir haben nicht die Zeit, um über durchgestylte Clips zu diskutieren, die nur neuen Stoff für die identitätspolitischen Debatten einer Intellektuellen-Blase bieten, aber nicht wirklich zu der so dringenden Prävention beitragen. Also: Weniger Parolen und Polemik, mehr Ernsthaftigkeit, mehr Solidität bitte. Wir können uns diese Spielchen nicht mehr leisten. Denn, das zeigt der gestrige Tag: Die potenziellen Täter von morgen leben unter uns.
Schließlich: Trotz dieser Bedrohungslage dürfen wir uns von dem Schrecken nicht bannen lassen, den die Terroristen über uns und unser Land legen wollen. Das heißt natürlich nicht, diese Bedrohung klein zu reden. Ganz im Gegenteil. Wir müssen vielmehr endlich frei und ohne Scheuklappen darüber diskutieren und gemeinsam nach den besten Mitteln suchen, unsere Freiheit zu sichern. Das geht nicht, wenn solche Debatten nur dafür genutzt werden, dem politischen Gegner den Stempel „antimuslimisch“ aufzudrücken. Angst lähmt beim Finden effektiver Lösungen und kluger Gedanken – beides wird jetzt gebraucht.
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