Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Gar nicht so einfach mit der Salafismus-Prävention

Das bayerische Innenministerium hat ein Video zurückgezogen, mit dem junge Frauen davor gewarnt werden sollten, in die „Salafismus-Falle“ zu stolpern. Es ist kein Clip im „Stürmer“-Stil, aber ziemlich unterkomplex. Deswegen ist es richtig, das Video aus dem Verkehr zu ziehen.
Junge Frauen mit Kopftuch
Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer (www.imago-images.de) | Die Anziehungskraft des radikalen Islams hat auch eine spirituelle Dimension - das gilt es zu bedenken, wenn junge Frauen vor der Verwicklung in salafistische Strukturen bewahrt werden sollen.

Das Video ist nicht mal eine ganze Minute lang. Die Reaktionen, die es hervorgerufen hat, beschäftigen hingegen schon seit zwei Tagen die Öffentlichkeit. Das ist ja auch kein Wunder: Kurz nach „Solingen“ gibt es ganz zurecht kaum ein Thema, das die Menschen so umtreibt wie die Angst vor einem aggressiven Islamismus. Zu dem zählt auch der Salafismus, vor dem die Clip-Macher in staatlichen Diensten hier warnen wollen. Nein, es ist kein Video im „Stürmer“-Stil, wie jetzt Kritiker alarmistisch rufen. Bei der Frage, ob bestimmte antimuslimische Klischees hier bedient worden sind, ist es schon etwas schwieriger. Wenn man, und das ist leider bei manchen der Kritiker zu unterstellen, grundsätzlich jede Islam-Kritik mit dem Stempel „antimuslimisch“ versieht, ist eine Auseinandersetzung natürlich unmöglich. Aber für das Video kann man sagen: Hier wird alles ziemlich unterkomplex dargestellt. Deswegen ist es richtig, dass das Ministerium das Video zurückgenommen hat.

Lesen Sie auch:

Was ist zu sehen: Erzählt wird die Geschichte von einer jungen Frau, die, zunächst noch ganz westlich gekleidet und geschminkt, über die Liebe in die „Salafisten-Falle“ stolpert und sich am Ende vollverschleiert in der Küche schuftend wiederfindet. Dass im Hintergrund ständig das hämische Lachen des bösen Salafisten zu hören ist und in einer Szene die Frau in den Schlund des Mannes fällt, ist wohl vor allem den Genre Tiktok-Video geschuldet. Viel wichtiger: Werden die Narrative und Motive, die hier verbreitet werden, wirklich dem Präventionsziel gerecht? Es ist zu bezweifeln, dass irgendeine junge Frau, die tatsächlich in der Gefahr steht, in die salafistische Szene hineingezogen zu werden, sich durch diese Bilder überzeugen lassen würde.

Für die Prävention bringt das nichts

Ein Aspekt wird nämlich vollkommen ausgeklammert: die spirituelle Dimension. Es mag uns ärgern, vielleicht verstören, aber natürlich übt diese spezielle Spiritualität über die der Salafismus verfügt gerade als Gegenmodell  zu dem westlichen Lebensstil seine besondere Anziehungskraft auf junge Menschen aus. Und es ist auch klar: Diejenigen, die nach solchen Gegenmodellen suchen, sei es aus Frustration über die Gegenwart oder sei es aus Sinnsuche (beides Phänomene, die bei jungen Menschen doch wohl öfter vorkommen), fühlen sich, so unberechtigt es sein mag, als intellektuelle Avantgarde. Ihnen wird man mit solchen Holzhammer-Clips nicht beikommen.

Das Video ist eher an die große Bevölkerungsmehrheit gerichtet, als Signal nach dem Motto: „Wir tun was.“ Der Otto-Normal-Verbraucher schaut sich das Video an, fühlt sich in seiner ja berechtigten Sorge bestätigt und gleichzeitig beruhigt, weil das Ministerium ja offenbar tätig wird. Dass ein Ministerium so agiert, mag politisch verständlich sein, für die Prävention bringt es nichts.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sebastian Sasse Salafisten

Weitere Artikel

Bewaffnete Gruppen, darunter viele Ausländer, rauben und plündern in Syrien im Namen der Revolution.
24.01.2025, 09 Uhr
Stephan Baier

Kirche

In Rom hatte Arnold Schwarzenegger seinen großen Auftritt und trifft heute mit Leo XIV. zusammen. Anlass ist eine Klima-Konferenz im Geist von Papst Franziskus.
01.10.2025, 09 Uhr
Guido Horst