Unter der Überschrift „Den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren“ haben heute neun Strafrechtler den verzweifelten Versuch unternommen, den Paragrafen 218 StGB auf den letzten Metern der sich dem Ende zuneigenden Legislaturperiode doch noch zu Fall zu bringen.
Kann es bloß Dummheit sein, die dem Nonett dabei die Feder geführt hat? Oder muss für dieses Schurkenstück nicht auch der Wille zur Falschmünzerei hinzukommen? Fragen, die sich nach der Lektüre des Gastbeitrags, den die neun Strafrechtler in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z.) veröffentlichten, wie von selbst auch dem aufdrängen dürften, der mit den sogenannten „Abtreibungsurteilen“ des Bundesverfassungsgerichts bisher nur entfernt in Berührung gekommen ist.
Es geht um einen Paradigmenwechsel
So behauptet das Nonett der Strafrechtler etwa, dem „Entwurf“ – gemeint ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ (Bundestagsdrucksache 20/13775) – ginge es „allein darum, die Schwangere dem stigmatisierenden Zugriff des Strafrechts zu entziehen“. Das ist aber, wie bereits der vollständige Titel des „Entwurfs“ unmissverständlich anzeigt, überhaupt nicht der Fall. Seinen Autoren geht es vielmehr um die „Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“. Mit der Pointe, dass, würde er Gesetz, aus einer bislang „rechtswidrigen“, aber „straffreien“ Tat, erstmals eine „rechtmäßige“ würde.
Dies aber wäre ein Paradigmenwechsel. Und genau darum und um nichts anderes geht es. Die Autoren des Gesetzesentwurfs wollen, dass der Deutsche Bundestag einen Rechtsanspruch auf einen „selbstbestimmten Abbruch der Schwangerschaft“ beschließt. Was wiederum nichts anderes bedeutet, als dass der Bundestag mehrheitlich beschließen solle, Frauen hätten das Recht, ein von ihnen selbst gezeugtes, unschuldiges und wehrloses Kind vor der Geburt töten zu lassen, sofern dieses nicht älter als 12 Wochen (p.c.) ist und sie es nicht doch lebend gebären wollen.
Kinder als Wegwerf-Artikel
Ferner sieht der „Entwurf“ vor, dass die Kosten für die vorgeburtliche Kindstötungen von den Krankenkassen bezahlt, also der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten ausgebürdet werden. Wer dennoch behauptet, dem Entwurf ginge es „allein darum, die Schwangere dem stigmatisierenden Zugriff des Strafrechts zu entziehen“, schwimmt entweder sogar in Milch oder will betrügen. Recht hat das Nonett der Strafrechtler freilich, wenn es in der Formel „rechtwidrig, aber straffrei“ ein „Unwerturteil“ der Rechtsordnung erblickt. Nur gibt es dieses aus gutem Grund: Denn wie könnte die Tötung eines wehrlosen, unschuldigen Kindes im Mutterleib ein Wert sein?
Wie schwer ein solches „Unwerturteil“ allerdings in Praxis wiegt, zeigen nicht nur die 100.000 vorgeburtlichen Kindstötungen, die dem Statistischen Bundesamt Jahr für Jahr gemeldet werden, zuverlässig an, sondern auch die Anonymisierung der Beratung, bei welcher ungewollt Schwangere nicht einmal ihre Gründe für die Ablehnung des Kindes nennen müssen sowie jüngst die Errichtung von Bannmeilen um Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen. Und überhaupt, was wäre die Alternative?
Doch nur dies: Die rechtliche Zementierung der vorgeburtlichen Kindstötung als legitime Form der Familienplanung, welche in der Folge, ob gewollt oder nicht, Kinder in der gesellschaftlichen Realität zu austauschbaren „Wegwerf-Artikeln“ deklarierte. Wer das akzeptabel findet, soll dies mit offenem Visier verkünden, statt Bundestagsabgeordneten via F.A.Z. und mittels schwer erträglicher Heuchelei Scheuklappen anzudienen.
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