Rund zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben die großen Kirchen Deutschlands die nächste Stufe ihrer politischen Öffentlichkeitsarbeit gezündet. In einem am heutigen Dienstag veröffentlichten Schreiben bitten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, und Erzpriester Radu Constantin Miron für die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen „alle Wahlberechtigten“, Parteien zu wählen, „die sich für unsere Demokratie einsetzen“. Demokratie sei für die christlichen Kirchen unverhandelbar, man halte daran fest, dass „Extremismus und vor allem völkischer Nationalismus mit dem Christentum nicht vereinbar“ seien – ein Bezug auf die DBK-Erklärung zum völkischen Nationalismus, in der die Bischöfe die AfD 2024 als „nicht wählbar“ bezeichnet hatten.
Weiter heißt es in dem Schreiben: „Gehen Sie wählen und stimmen Sie bei der Bundestagswahl für Parteien und Abgeordnete, die sich für ein rechtsstaatliches, freiheitliches, weltoffenes, solidarisches und die Schöpfung bewahrendes Deutschland einsetzen.“ Man danke allen Menschen, die sich für „die fundamentalen Werte und Prinzipien unserer Gesellschaft, die auch im Grundgesetz festgeschrieben sind“ einsetzten, und sich demokratisch engagierten. Es sei „erschreckend, wie oft sie bedroht oder tätlich angegriffen“ würden.
Schreiben definiert Voraussetzungen für eine gute Zukunft
Zudem erklärt der gemeinsame Aufruf einige „Orientierungen“ zur Voraussetzung für eine „gute Zukunft für unser Land“. So dürfe etwa das Land beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen „nicht nachlassen“. Auch weiterhin müsse Deutschland zur „Überwindung von Armut und Unterdrückung in aller Welt beitragen“ und „einer humanitär orientierten Flüchtlingspolitik und einer guten Integration von Zuwanderern verpflichtet bleiben“. Schließlich müsse das Land dem Schutz des Lebens zugewandt sein, „denn jeder Mensch hat die gleiche unveräußerliche Würde.“
Das Schreiben kommt einen Tag nach dem Start einer gemeinsamen „Banneraktion“ des Bündnisses „Zusammen für Demokratie“, in dem das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ebenso wie die Deutsche Bischofskonferenz neben etwa 70 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen vertreten ist. Geplant ist, das geht aus einer Pressemitteilung des Bündnisses vom Montag hervor, „an Kirchen und Gewerkschaftshäusern, Vereinsgebäuden, sozialen Einrichtungen und vielen weiteren Orten“ Banner und Plakate aufzuhängen. Vier verschiedenen Slogans sollen auf diesen zu lesen sein: „Das Recht des Stärkeren schwächt alle anderen. Wir wollen solidarisch zusammenleben“, „Menschenrechte gelten für alle Menschen. Wir wollen ein Land, das niemanden im Stich lässt“, „Rassismus ist keine Meinung. Wir wollen Vielfalt leben“ und „Eine gerechte Gesellschaft ist eine Aufgabe, kein Traum. Wir wollen Veränderungen gemeinsam gestalten“. Auf den Sozialen Medien soll es eine begleitende Kampagne unter dem Hashtag „#DuEntscheidest“ geben.
Bätzing: brauchen „Konsens der Demokraten, allen menschenfeindlichen Ideologien die Stirn zu bieten“
Weltweit wie auch in Deutschland stehe die liberale Demokratie unter Druck, heißt es zur Erklärung in der Pressemitteilung. Rechtsextreme Akteure negierten Menschenrechte, schürten „Rassismus und andere menschenfeindliche Haltungen“ und schwächten die demokratischen Institutionen – dieser Gefahr trete man entgegen: „Wir treten ein für die unteilbaren Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und eine klimagerechte Zukunft. Wir stehen für eine vielfältige, freie und offene Gesellschaft. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie und alle, die hier leben, gegen die Angriffe der extremen Rechten“. In einer Mitteilung der DBK hieß es zudem, die Aktion verstehe sich „über den Wahltag hinaus als sichtbares Zeichen gegen Spaltung und für Zusammenhalt“. Das Bündnis wolle „den vielen Engagierten den Rücken stärken und zugleich zu weiteren Initiativen ermutigen.“
Bei der gestrigen Auftaktveranstaltung äußerten sich Kirchenvertreter auch mit persönlichen Statements. Der Leiter des Berliner Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, der unlängst wegen des Kirchen-Brandbriefes zur CDU-Asylpolitik in die Kritik geraten war, erklärte, die Kirchen beteiligten sich an der Aktion „aus voller Überzeugung, denn leitend für uns ist die Gewissheit, dass jeder Mensch eine unantastbare und unverfügbare Würde besitzt“. Der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, rief bei einer Bannerenthüllung in Limburg zur Beteiligung auf: „Unsere Demokratie lebt von der Vielfalt der Perspektiven. Zugleich brauchen wir den Konsens der Demokraten, allen menschenfeindlichen Ideologien die Stirn zu bieten. Engagieren wir uns gemeinsam für eine Gesellschaft, in der die Menschenrechte für jeden gelten und Rassismus keinen Platz hat! Das ist Aufgabe von Christinnen und Christen – zusammen mit allen Menschen guten Willens.“
Bei dem Bündnis „Zusammen für Demokratie“ handelt es sich der Hompage der Initiative zufolge um ein „Bündnis zivilgesellschaftlicher Verbände und Einrichtungen, die sich gemeinsam für den Schutz unserer Demokratie einsetzen.“ Verbindendes Element sei die „Überzeugung, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat“. Zu den Mitgliedern zählen neben DBK und ZdK etwa auch Greenpeace, die Kampagnenorganisation Campact, die Anti-Globalisierungs-NGO Attac, die Amadeu-Antonio-Stiftung oder Amnesty International Deutschland. (DT/jra)
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