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Merkel, der Orden und die CDU

Während der Bundespräsident die Alt-Kanzlerin in den staatsmännischen Olymp verabschiedet, versucht ihre Partei weiter, sich von Angela Merkel freizuschwimmen.
Verdienstorden an Altkanzlerin Merkel
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Gestern bekam Angela Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den höchsten Orden verliehen, den das Land zu vergeben hat.

Es ist ein seltsames Zusammenspiel: Gestern bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den höchsten Orden verliehen, den das Land zu vergeben hat. Niemand aus der engeren Spitze ihrer Partei war dabei. Am gleichen Tag präsentiert die CDU die Ergebnisse einer Mitgliederumfrage, in der die Christdemokraten dazu Stellung beziehen konnten, welche Werte für sie wichtig sind.

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Das Bindeglied zwischen beiden Ereignissen ist Carsten Linnemann, der sich in der Partei um das neue Grundsatzprogramm kümmert. Er stellte die Ergebnisse der Umfrage der Öffentlichkeit vor, am Morgen hatte er aber auch in einem Interview erklärt, bei allen Verdiensten, die Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade auch auf internationalem Gebiet habe, dürften aber auch ihre Fehler nicht vergessen werden. Konkret benannte er den Atomausstieg in Folge des Fukushima-Unglücks und Fehler bei der Flüchtlingspolitik, die Grenzen seien zeitweise nicht geschützt worden. Das war mutig und entspricht ohne Zweifel der Auffassung vieler Mitglieder, vor allem aber auch vieler klassischer CDU-Stammwähler. 

Es geht auch um Emotionen

Ob Linnemann damit aber eine Grunddevise ausgegeben hat, mit der die CDU künftig das Erbe ihrer Alt-Kanzlerin betrachten kann, ohne dass es immer wieder zu innerparteilichen Differenzen kommt, ist zu bezweifeln. Sachlich ist es vollkommen richtig, das Positive zu nennen, das Negative nicht zu verschweigen. 

Es geht aber auch um Emotionen. Und wie hier die CDU-Basis, letztlich aber auch die bürgerliche Mitte insgesamt ticken könnte, darüber gibt gerade die gestern präsentierte Umfrage Aufschluss. Gefragt wurde unter anderem, mit welchen Werten und Einstellungen die Mitglieder das „C“ im Namen in Verbindung bringen würden? Ganz oben auf der Antwortliste rangiert der Wert „Anstand“. Empfindet es das bürgerliche Lager als anständig, so mit einer ehemaligen Bundeskanzlerin umzugehen? Hier geht es nicht um Ehrpusseligkeit, sondern um Stil.

Scharfe Worte, aber bitte mit Stil

Wenn man sich kritisch mit dem Erbe von Frau Merkel auseinandersetzen will – und das ist dringend geboten – geht das nicht im Vorbeigehen. Hier braucht es einen richtigen Rahmen, wohlgesetzt, gerne auch scharfe Worte. Aber bitte mit Stil. Einfach bei der Verleihung wegzubleiben, ist zwar auch eine Antwort. Aber sicherlich keine, die die Stammwählerschaft mit ihren Erwartungen abholt. Und auch wenn jetzt die Merkel-Kritiker, die ja gute Argumente anzuführen haben, aufstöhnen, das sei doch alles immer noch zu wenig und sich nach dem endgültigen Bruch mit der Kanzlerin sehnen, müssten doch gerade sie als Konservative wissen: Die sachliche Kritik ist das eine, die Form aber sollte gewahrt werden.

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