Im US-Bundesstaat Louisiana müssen ab dem kommenden Jahr die Zehn Gebote in den Klassenzimmern und Hörsälen staatlicher Schulen und Universitäten angebracht werden. Der republikanische Gouverneur des Südstaats, Jeff Landry, unterzeichnete am Mittwoch ein entsprechendes Gesetz, das beide Parlamentskammern zuvor verabschiedet hatten. In beiden Kammern verfügen die Republikaner über eine Zweidrittelmehrheit. Der Beschluss gilt auch für private Schulen, die staatliche Fördermittel erhalten, sowie für die Räumlichkeiten staatlicher und staatlich geförderter Kindergärten.
Louisiana ist damit der erste Bundesstaat, der das Anbringen der Zehn Gebote in staatlichen Bildungseinrichtungen verpflichtend macht. Diese müssen „auf einem Plakat oder gerahmten Dokument“ dargestellt werden, das mindestens 28 mal 36 Zentimeter groß ist. Der Text der Zehn Gebote soll „in großer, leicht lesbarer Schrift“ im Zentrum des Plakats stehen. Zur Finanzierung sollen die Schulen auf Spenden zurückgreifen.
Kritiker sehen Recht auf Religionsfreiheit bedroht
Laut dem Gesetz sollen die künftig anzubringenden Dokumente um drei weitere Textabsätze ergänzt werden, in denen es heißt, dass die Zehn Gebote „seit fast drei Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil der staatlichen Bildung in Amerika“ seien. So seien diese bereits in einem Schulbuch aus dem Jahr 1688, dem „New England Primer“ enthalten gewesen, später auch in anderen Lehrwerken wie dem „American Spelling Book“, das mehr als 100 Millionen Mal verkauft und bis ins Jahr 1975 eingesetzt worden sei.
Erwartungsgemäß hat das Gesetz auch Kritiker auf den Plan gerufen und die Debatte darüber neu entfacht, wie strikt die Trennung zwischen Staat und Kirche verlaufen sollte, die sinngemäß im Ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung festgeschrieben ist. Daher sei das Gesetz verfassungswidrig, argumentieren dessen Gegner und kündigten bereits an, rechtlich dagegen vorzugehen.
In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten Bürgerrechtsorganisationen wie die „American Civil Liberties Union“ (ACLU) in Lousisiana, „Americans United for Separation of Church and State“ sowie das „Southern Poverty Law Center“, dass der Beschluss gegen das Grundrecht von Schülern und Familien auf Religionsfreiheit verstoße. „Unsere Schulen sind keine Sonntagsschulen, und Schüler jeglichen Glaubens wie auch Nichtgläubige sollten sich dort willkommen fühlen“.
Gesetz beruft sich auf historische Bedeutung der Zehn Gebote
Die Verfasser des Gesetzestextes sind jedoch auf einen Rechtsstreit gefasst. Er könne es gar nicht erwarten, verklagt zu werden, äußerte sich Louisianas Gouverneur Landry laut der „New York Times“. Wenn man die Rechtsstaatlichkeit respektieren wolle, „muss man beim ursprünglichen Gesetzesbringer anfangen, und das war Moses“.
Das Gesetz verweist auch darauf, dass der Oberste Gerichtshof der USA im Jahr 2019 die historische Bedeutung der Zehn Gebote als eine der Grundlagen des amerikanischen Rechtssystems bestätigt habe. Deren Darstellung könne auch dafür stehen, ein „gemeinsames kulturelles Erbe“ hervorzuheben, so die Obersten Richter. In dem nun in Kraft getretenen Gesetz heißt es weiter: „Die historische Rolle der Zehn Gebote anzuerkennen steht im Einklang mit der Geschichte unserer Nation und spiegelt wahrheitsgemäß das Verständnis der Gründerväter unseres Landes wider, unter Berücksichtigung der Notwendigkeit staatsbürgerlicher Moral für eine funktionierende Selbstverwaltung.“
Hochgeschwender: Nicht absehbar, wie Oberstes Gericht entscheidet
Der Münchner Nordamerika-Experte Michael Hochgeschwender verweist gegenüber der „Tagespost“ jedoch darauf, dass der Oberste Gerichtshof hinsichtlich der Zehn Gebote in der Vergangenheit auch anders geurteilt habe. Hochgeschwender nennt den Fall „Stone v. Graham“ aus dem Jahr 1980 sowie „McCreary County v. ACLU of Kentucky“ aus dem Jahr 2005. In beiden Fällen sei entschieden worden, dass die Zehn Gebote „eindeutig als religiöses Gedankengut von Juden und Christen identifizierbar“ seien und damit gegen die Trennung von Staat und Kirche verstießen.
Wie der Oberste Gerichtshof in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung urteilen werde, könne man nicht vorhersagen. Denkbar sei ein Urteil „im Sinne der Stare-decisis-Doktrin, also der Rechtssicherheit“. Eine weitere Option, so Hochgeschwender, sei eine Neuinterpretation des Ersten Verfassungszusatzes im Sinne der vom Supreme-Court-Richter Joseph Story in den 1830er Jahren vertretenen Auslegung der Trennung von Staat und Kirche als kooperatives Miteinander in den USA als christliche Nation, wobei christlich allerdings protestantisch gemeint habe.
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