„Westdeutscher Rotfunk“ als Abkürzung für WDR, das ist ein Begriff mit dem CDU-Stammwähler etwas anfangen können. Ja, vielleicht klingt bei ihnen sogar etwas Nostalgie mit. Denn diese Kampfvokabel stammt aus einer Welt, in der die schwarze noch in Ordnung war. Denn damals war klar, wer der Feind ist. Insofern hat der WDR der Union mit seiner Berichterstattung über Carsten Linnemann, den neuen CDU-Generalsekretär, geholfen, wenn auch sicherlich unbeabsichtigt. Denn da wird mancher über den „Rotfunk“ geschimpft haben.
Bei Instagram lief unter der Überschrift „CDU auf dem rechten Weg“ ein Bild von Linnemann im Zentrum, darum gruppiert einige Zitat-Fetzen von ihm. Beispiele: „Wir werden doch nicht mit CO2-Vermeidung das Problem lösen.“ Oder: „Für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten, sollten wir eine Jobpflicht einführen.“ Oder: „Wir brauchen dringend eine Sozialstaatsbremse.“ Alle diese Positionen sollten nun als rechts und damit böse diskreditiert werden. Sofort setzte bei der Union Empörung ein. Der Hamburger CDU-Abgeordnete Christoph de Vries twitterte etwa in Anspielung auf den DDR-Chefpropagandisten Karl-Eduard von Schnitzler, besser hätte das das Schwarze Kanal auch nicht hinbekommen.
Ein gemeinsames Feindbild ist überlebenswichtig
Trotzdem: Letztlich kann die Union dem WDR dankbar sein. Denn ein gemeinsames Feindbild ist für sie überlebenswichtig. Es wirkt nämlich integrierend und bindet die einzelnen Flügel zusammen. Um diesen Effekt zu verstehen, reicht schon ein kurzer Blick auf die Parteigeschichte: Bis 1990 war dieser gemeinsame Feind, den sowohl konservative wie liberale Christdemokarten erkannten, die Bedrohung aus dem Osten. In der zweiten Hälfte der Ära Kohl nach der Wiedervereinigung klang das noch nach, man denke an die „Rote Socken“-Kampagne. Aber danach war der Feind irgendwie weg. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte auf diese Situation mit ihrem Ansatz der asymmetrischen Demobilisierung. Plötzlich gab es gar keine Feinde mehr. Der größte Feind war höchstens vielleicht die Unruhe, die in diesem Zeitalter des neuen Biedermeier als Gefahr für die ach so gemütliche durch Bundeskanzlerin Angela Merkel repräsentierte Alternativlosigkeit galt.
Das ist nun im Zeitalter der Kulturkämpfe anders. Und der WDR könnte mit seiner Hau-drauf-Methode die Union daran erinnern, dass es in ihrer Geschichte auch einmal eine Phase gab, in der sie zurückholzen konnte.
Und damit sind wir bei Hans-Georg Maaßen. Just an dem Tag, an dem Merz Linnemann zum neuen Generalsekretär ausrief, tagte auch das Thüringer Parteischiedsgericht und lehnte den Parteiausschluss des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes ab. Anhänger Maaßens, der jetzt Bundesvorsitzender der Werteunion ist, jubilierten in den Sozialen Medien. Und manche spekulierten gar, ob es jetzt vielleicht mit Linnemann eine Verständigung Maaßens mit der Parteispitze geben könnte. Dazu passt, dass bei dem WDR-Instagram-Meme auch eine Linnemann Zitat zu Maaßen dabei war. Selbstverständlich gehöre dieser zur CDU, hieß es da. Und: „Ich schätze ihn“.
In Maaßens Umfeld gehen regelmäßig die Bomben hoch
Das Zitat aus der „Rheinischen Post“ stammt allerdings vom 6. August 2019, also aus einer Phase, in der Maaßen zwar schon zum Gott-sei-bei-uns seiner linken Gegner geworden war, aber sich noch nicht in der Weise wie jetzt radikalisiert hatte und damit für die Union durchaus noch strategischen Wert besaß. Er hätte damals, noch in der Zeit vor der Bundestagswahl, so etwas wie ein konservatives Trüffelschwein auf der Suche nach kampagnentauglichen Feindbildern werden können. Die Parteispitze erkannte diese Chance nicht. Maaßen driftete weiter ab.
Mittlerweile ist aus ihm eher so etwas wie ein Minenspürhund auf dem Feld der öffentlichen Debatten geworden. Er führt seine Gefolgschaft regelmäßig in die Ecken, in denen ziemlich sicher eine Bombe hochgeht. Das macht seinem engeren Umkreis offenbar nichts aus. Für einen wie Linnemann wäre es aber geradezu toxisch, sich in dieses Umfeld zu begeben. Als Generalsekretär muss er schließlich selbst Minen legen, in die der politische Gegner tappt und nicht sich selbst Stolperfallen stellen.
Eine Herausforderung diejenigen wieder an die Union zu binden, die im Moment noch in Maaßen eine Art Leitbild erkennen, stellt sich für ihn allerdings schon. Doch statt hier HGM auf seinen ausgetretenen Pfaden zu folgen, muss er eigentlich nur die Themen aufgreifen, die ihm die Ampel täglich serviert. Jüngstes Beispiel: das Ehegattensplitting, das SPD-Genrealsekretär Kevin Kühnert schleifen will. Das gibt viel rote Farbe her, aus der sich ein Feindbild zeichnen lässt. Man wird sehen, ob Linnemann den Pinsel schwingt.
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