Am Ende war es eine klare Sache. Eine deutliche Mehrheit des Bundestags stimmte gestern nach einer mitunter hochemotional geführten Debatte gegen die Vergesellschaftung lebenswichtiger Organe von Patienten, bei denen Ärzte den Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen diagnostizieren. Denn darauf wäre die vom gern forsch auftretenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) favorisierte Widerspruchsregelung hinausgelaufen. Sie hätte die geltende Regel, Organspender ist, wer der Entnahme lebenswichtiger Organe zustimmt, in ihr Gegenteil verkehrt: Organspender ist, wer ihr nicht widerspricht.
Informierte Einwilligung
Schweigen als Zustimmung zu werten, ist nicht nur dem deutschen Recht fremd. Unser ganzes Gesundheitssystem basiert auf dem Prinzip des „informed consent“, der Einwilligung nach zuvor erfolgter Aufklärung. Wer dem zuwider handelt, begeht eine strafrechtlich relevante Körperverletzung. Hermann Gröhe (CDU), Spahns Amtsvorgänger, brachte es in der Debatte auf den Punkt: „Jeder Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht (…) Und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit muss ich nicht durch eine Widerspruchserklärung aktivieren. Ich habe es bedingungslos. Nur meine eigene Einwilligung kann es zurücktreten lassen.“
Funktionsfähiger Kompass
Bei der gestrigen Entscheidung ging es also nicht nur um die Frage, wie sich die Zahl der Organspender steigern lässt. Es ging auch um die Wahrung der dem Verhältnis von Bürger und Staat angemessenen Proportionen. Dabei bewies eine Mehrheit der Abgeordneten, dass sie noch über einen funktionsfähigen Kompass verfügt. In derart wirren Zeiten wie diesen, darf man dafür durchaus dankbar sein.
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