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Kommentar: Berliner Mehltau über Thüringen

Thüringen zeigt: Deutschland steckt nicht in einer Krise der Demokratie wie in Weimar. Deutschland steckt in einer Krise der politischen Repräsentation und Öffentlichkeit.
Die politische Landschaft nach der Wahl in Thüringen
Foto: Kay Nietfeld (dpa) | Erst wenn sich in den ehemaligen Volksparteien Akteure finden, die den Mehltau mutig abschütteln, wird Deutschland wieder zu politischer Stabilität und Balance finden.

Nein, Thüringens AfD-Chef Björn Höcke wird nicht Ministerpräsident. Und doch hat die AfD auch ohne Regierungsbeteiligung indirekt Richtlinienkompetenz in dem ostdeutschen Bundesland. Wie schon bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen wirbelt die am Sonntag zweitplatzierte Partei die überkommene parteipolitische Arithmetik und Farbenlehre wild durcheinander. Allen Ernstes wird überlegt, ob sich die CDU nicht doch mit der Linkspartei ins Regierungsbett legen sollte. Gegen die AfD kann schließlich nur unter Aufhebung aller inhaltlichen Unterschiede eine Regierungskoalition gebildet werden.

Jeder mit jedem gegen die AfD

Jeder mit jedem gegen die AfD: Exakt dieser sich darin auftuende Allparteienkonsens - haareraufend begründet mit staatspolitischem Wohl und demokratischer Anständigkeit -, belegt das Eigennarrativ der AfD, einzige Alternative zu den „Altparteien“ zu sein. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik kann zudem wegen der Ergebnisse von AfD und erstplatzierter Linkspartei aus der sogenannten Mitte heraus keine Regierung gebildet werden. Schon werden Parallelen zur Endphase der Weimarer Zeit bemüht, als linke und rechte Anti-Demokraten die parlamentarische Mehrheit hatten.

Man muss sich über die Ergebnisse der AfD nicht wundern

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Sich hinter – unpassenden – historischen Vergleichen zu verstecken, bringt aber nichts. Deutschland steckt nicht in einer Krise der Demokratie wie in Weimar, der Demokratie ohne Demokraten. Deutschland steckt in einer Krise der politischen Repräsentation und Öffentlichkeit. Wenn schon die Fragen weiter Teile der Bevölkerung von einem Bündnis aus Parteien, Medien, Kultur und Kirchen als unmoralisch aussortiert werden, wenn vom integrations- und migrationspolitischen Mainstream allenfalls therapeutisches, onkelhaftes Schulterklopfen für abweichende Meinungen zu erwarten ist, muss man sich über die Ergebnisse der AfD nicht wundern.

Der Mehltau der Berliner Großen Koalition unter Führung einer abgetauchten Bundeskanzlerin hat sich nun auch noch über die Wälder Thüringens gelegt. Erst wenn sich in den ehemaligen Volksparteien Akteure finden, die ihn mutig abschütteln, wird Deutschland wieder zu politischer Stabilität und Balance finden.

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