Politik lebt von Kompromissen. Aber es gibt Kompromisse, zu denen niemand, der noch bei klarem Verstand ist, die Hand reichen kann. Und ein solcher wäre zweifellos die Wahl der Potsdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht.
Denn die von SPD für das höchste Richteramt im Staate Vorgeschlagene ist nicht bloß eine radikale Befürworterin eines vermeintlichen „Rechts auf Abtreibung“. Sie ist auch eine politische Aktivistin. 2020 verfasste sie im Auftrag des „Instituts für Weltanschauungsfragen“ (ifw), das gewissermaßen eine Ausgründung der gut betuchten „Giordano Bruno-Stiftung“ (gbs) darstellt, ein Rechtsgutachten mit dem Titel „Der Fall Hänel“. In dem Gutachten, das die zur Galionsfigur der Abtreibungslobby avancierte Abtreibungsärztin reinzuwaschen suchte, kam sie zu dem absurden Ergebnis, das Werbeverbot für Abtreibungen, der von der Ampelregierung hernach gestrichene § 219a StGB, sei verfassungswidrig.
Brosius-Gersdorf und ihr diametrales Verständnis der Menschenwürde
Im Abschlussbericht der von der Ampelregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ verantwortete sie das Kapitel fünf: „Verfassungsrechtlicher Rahmen für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ (S. 198ff). Entgegen der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Würde zu“) hält Brosius-Gersdorf dort dafür, dass es „gute Gründe“ gäbe, die für „eine Entkoppelung von Menschenwürde- und Lebensschutz und die Geltung von Art. 1 Abs. 1 GG erst für den Menschen ab Geburt“ sprächen.
Bei Licht betrachtet handelt es sich dabei nicht um eine Petitesse, sondern um eine Abkehr von der Idee einer dem Menschen innewohnenden, bedingungslosen Würde, die den Staat und den Einzelnen zur Anerkennung verpflichtet, hin zu einem Verständnis von Würde, die zugesprochen werden muss, an Bedingungen geknüpft werden und folglich auch versagt bleiben kann. Egal, was man davon im Einzelnen halten mag, es handelt sich hierbei jedenfalls nicht mehr um das Würdeverständnis des Grundgesetzes.
„Reinkarnation von Margot Honecker“
Nach dem Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland bildet die Menschenwürde aber den Dreh- und Angelpunkt der Verfassung. Wie jemand, der hier ein fundamental anderes Konzept vertritt, mit der Hütung dieser Verfassung beauftragt werden kann, erschließt sich niemandem. Darüber hinaus hat sich Brosius-Gernsdorf als Zerstörerin des klassischen Familienbildes und damit des Artikels 6 des Grundgesetzes hervorgetan. Professorenkollegen sollen die 54-Jährige, so wird kolportiert, in diesem Zusammenhang bereits als „Reinkarnation von Margot Honecker“ bezeichnet haben. Fazit: Wer Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht wählt, zeigt damit, dass er entweder völlig ahnungslos ist oder aber einen anderen Staat wünscht, als den, in dem wir leben.
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