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Kardinal Zen: Der furchtlose Mahner

Der jüngst inhaftierte Kardinal Zen trat in der Vergangenheit einer Verschlechterung der Lage aller Religionsgemeinschaften in China entgegen. Die zeichnet sich seit Jahren deutlich ab.
Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong
Foto: Jörg Loeffke (KNA) | Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong.

 „Der Heilige Stuhl hat mit Sorge von der Nachricht über die Festnahme Kardinal Zens erfahren und verfolgt die Entwicklung der Situation mit extremer Aufmerksamkeit“, sagte am Mittwoch Matteo Bruni, Direktor des vatikanischen Presseamtes. Für den Vatikan waren die Vorgänge um die Festnahme und bedingte Freilassung Kardinal Joseph Zen Ze-kiuns in der vorigen Woche besonders mit Blick auf die Übereinkunft zu den Bischofsernennungen mit Peking besorgniserregend. 

Kritiker des Abkommens sehen sich bestätigt

Mit Blick auf das Provisorische Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und China vom September 2018, erneuert im Oktober 2020, wird Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin mit den Worten zitiert: „Zuallererst besteht die Hoffnung, dass solche Initiativen den ohnehin komplexen und nicht einfachen Weg des Dialogs weiter erschweren.“ Damit signalisierte er zugleich, dass eine weitere Verlängerung über dieses Jahr hinaus noch nicht ausgeschlossen ist. 

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Die Kritiker der Übereinkunft sehen sich durch die jüngsten Ereignisse bestätigt: Zusammen mit drei Kuratoriumsmitgliedern der regierungsunabhängigen Organisation „612 Humanitarian Relief Fund“ wurde Zen am 11. Mai abends festgenommen und nach Stunden gegen Kaution freigelassen. „Verschwörung mit fremden Mächten“ werfen die Ermittler ihnen vor, ein Tatbestand auf der Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Das Gesetz erzwang die kommunistische Führung in Peking 2020 als Reaktion auf die massiven Proteste im Jahr zuvor in der Sonderverwaltungszone. Zivilgesellschaftliches Engagement geriet so unter Verdacht der „Staatsgefährdung“.

Auf diese Weise – so sehen es Menschenrechtsorganisationen – wurden dort Grundfreiheiten quasi abgeschafft. Der Hilfsfonds verhalf daher Pro-Demokratie-Aktivisten zum Anspruch auf Rechtsschutz, wie ihn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vorsieht. Die 2019 gegründete Organisation ermöglichte den Verfolgten mit Spenden, sich anwaltlichen Beistand zu nehmen und wurde im vorigen Jahr nach Ermittlungen aufgelöst. Die weiteren Inhaftierten sind der Kulturwissenschaftler Hui Po-keung, die Rechtsanwältin und Journalistin sowie vormaliges Mitglied des Legislativrats Margaret Ng Ngoi-yee, die Sängerin und LGBT-Aktivistin Denise Ho Wan-see. Allen vier Menschenrechtsverteidigern droht nun, nach Festlandchina überstellt zu werden sich dort vor Gericht verantworten zu müssen. Das Strafmaß im Falle einer Verurteilung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft.

Zen nannte des Gesetz "beängstigend"

Kardinal Zen befürchtete schon vor zwei Jahren Unheil durch die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong. Das Gesetz sei beängstigend. „Auf dieser Grundlage können sie alles mit Ihnen machen“, sagte er damals im Interview. Auf die Frage, ob er selbst Konsequenzen fürchte, antwortete Zen 2020: „Furcht ist jedoch kein guter Ratgeber. Wir müssen nach unserem Gewissen reden und handeln.“
Der frühere Oberhirte Hongkongs kritisierte vor seiner Festnahme zudem die Menschenrechtslage und Religionspolitik Rot-Chinas, das Abkommen zwischen Rom und Peking und die treibende Kraft dahinter, Kardinal Parolin. Inzwischen wurde er als ein „spiritueller Anführer der Pro-Demokratiebewegung Hongkongs“ bezeichnet.

Er befürchtete, dass etwaige Kompromisse gegenüber den Kommunisten zu weit gehen könnten. In der Folge zeigte sich, dass sich Anhänger der Untergrundkirche vor dem Hintergrund des Abkommens gezwungen sahen, der offiziellen Katholisch-Patriotischen Vereinigung beizutreten. Die verbleibenden Untergrundkatholiken gerieten so noch stärker unter Druck. Inhaftierte Bischöfe wie Untergrundbischof Augustinus Cui Tai von Xuanhua in der Provinz Hebei blieben in Gewahrsam, andere wurden hinter Gitter gebracht: Bischof Joseph Zhang Weizhu von Xinxiang in der chinesischen Provinz Henan wurde am 21. Mai 2021 festgenommen, nachdem er sich strikt geweigert hatte, der staatlich kontrollierten Chinesischen Katholisch-Patriotischen Vereinigung beizutreten. 

Wer unter 18 ist, darf nicht mehr zum Gottesdienst

Die Genannten traten in der Vergangenheit einer kritischen Entwicklung entgegen, die die Lage aller Religionsgemeinschaften in China betrifft und sich seit Jahren deutlich abzeichnet: Im Jahr 2016 gab Staats- und Parteichef Xi Jinping erstmals auf breiter Ebene die Anweisung an die Partei, die ideologische Kontrolle der Gesellschaft zu übernehmen. Die führenden Vertreter der anerkannten Religionsgemeinschaften mussten sich zur Unterwerfung unter die KP bekennen, bevor Xi Jinping schließlich beim 19. Parteikongress im Oktober 2017 forderte, die religiösen Lehren müssten sämtlich die „sozialistischen Grundwerte“ widerspiegeln, in denen viele Christen jedoch reichlich Widersprüche zu ihren Überzeugungen erkennen. Die Konsequenzen sind offensichtlich: Kinder und junge Leute unter 18 Jahren dürfen gar nicht mehr zum Gottesdienst, Kirchen wurden geschlossen, schätzungsweise zwischen 5.000 bis 10.000 Christen auf der Grundlage 2018 eingeführter neuer Regeln für religiöse Angelegenheiten eingesperrt.

Folglich befürchtet die US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse, die Zuspitzung in Hongkong wirke sich besonders auf die Religionsfreiheit aus, da bezeichnend viele Pro-Demokratie-Aktivisten einen „religiösen Hintergrund“ hätten, sprich Christen, sind. 

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Michaela Koller Bischof Joseph Zen Kardinäle Pietro Parolin Religiöse Gemeinschaften Xi Jinping

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