Deutschland brauche mehr denn je die „geistig-moralische Wende“, die der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) 1982 zwar versprochen, jedoch nie eingelöst habe. Wie die evangelische Nachrichtenagentur Idea meldete, zeigte sich davon der Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts INSA, Hermann Binkert, in seiner Rede vor Mitgliederversammlung des Idea-Trägervereins in Wetzlar überzeugt. Die Tagung stand unter der Überschrift „Orientierung in Zeiten vieler Krisen“.
Wie Idea weiter schreibt, verwies Binkert dabei auch auf eine aktuelle INSA-Umfrage. Ihr zufolge sind 55 Prozent der Bürger in Deutschland der Meinung, dass die Familie in Krisenzeiten Orientierung gebe. Dies zeige, wie wichtig es sei, die Familie zu stärken.
„Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch; das Maß des Menschen ist sein Verhältnis zu Gott.“
Zur Stärkung von Familien zählt für den Katholiken die Wahlfreiheit für Mütter und Väter, sich in den ersten Lebensjahren – alternativ zur Betreuung in der Kita – selbst um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern. Bindung und Bildung gehörten zusammen. Binkert betonte ferner die Notwendigkeit, das Lebensrecht des Menschen uneingeschränkt zu schützen. Allerdings werde versucht, mit Sprache dagegen Stimmung zu machen. So werde von einem Recht auf Abtreibung gesprochen. Dies könne den Druck erhöhen, ungeborene Kinder mit einer schweren Behinderung abzutreiben. Man müsse aufpassen, nicht in eine Situation zu geraten, in der es heiße: „Warum gibt es eigentlich noch behinderte Menschen? Haben die Eltern nicht versucht, diese rechtzeitig zu verhindern?“
Im Zusammenhang mit der Debatte um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands fragte Binkert: „Was verteidigen wir eigentlich, wenn wir keine Inhalte mehr haben, wenn wir uns nicht mehr für Familie und das uneingeschränkte Lebensrecht einsetzen?“ Binkert erinnerte an das Bonmot Wilhelm Röpkes (1899–1966), der zu geistigen Vätern der Sozialen Marktwirtschaft gerechnet wird: „Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch; das Maß des Menschen ist sein Verhältnis zu Gott.“ Laut Binkert sei dies der Angelpunkt, um zu sehen, „wie wir Orientierung in der Krise gewinnen können“.
BVL-Vorsitzende Linder: Lebensoasen schaffen
Die Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht, Alexandra Maria Linder, beklagte den schwindenden Lebensschutz in westeuropäischen Ländern. So sei jetzt in England und Wales Abtreibung bis zur Geburt möglich. Auch der assistierte Suizid werde zugelassen. Vergleichbares gelte auch für Frankreich.
Wesentliche Faktoren für diese Entwicklungen seien instabile Beziehungen und Einsamkeit. Alte Menschen begründeten ihre Entscheidung für den assistierten Suizid oft damit, niemandem zur Last fallen zu wollen. Daher sei es notwendig, „Lebensoasen“ zu schaffen, in denen der „organisierte Tod“ keinen Zutritt habe, etwa Hospize und Palliativstationen. Außerdem gelte es, Hilfsangebote bekannter zu machen: „Niemand muss abtreiben. Niemand muss sich töten oder töten lassen.“ Christen sollten daran mitwirken, „dass unsere Gesellschaft wieder lebensbejahender und lebensmutiger wird“. Die Katholiken Binkert und Linder sind Mitglieder im Trägerverein der evangelischen Nachrichtenagentur „Idea“. (DT/reh)
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