Kommentar um "5 vor 12"

Grüner Größenwahn und Jesus Christus

"Jesus würde grün wählen", twitterten die Magdeburger Grünen am Ostersonntag. Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Öko-Partei als moralische Supermacht wähnt.
Die Grünen und die Kirche
Foto: Christoph Soeder (dpa) | Das Turmkreuz der Heilige-Geist-Kirche in Berlin-Moabit ist durch grüne Zweige hindurch zu sehen. "Jesus würde grün wählen", twitterten die Magdeburger Grünen am Ostersonntag.

Am Ostersonntag ging es mit den Magdeburger Grünen durch: "Jesus würde grün wählen", twitterten sie. Zwar löschten sie später den Beitrag und entschuldigten sich dafür, dass ihr Tweet für Irritationen gesorgt habe. Dennoch ist der Vorfall beachtenswert, denn er macht eine grüne Grundattitüde offenbar, die symptomatisch ist, weit über die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt hinaus. "Wir sind die Guten", lautet hier das erste Gebot. Und die Schlussfolgerung: "Weil wir die Guten sind, sind wir unangreifbar." 

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Jesus hat wohl noch immer moralische Autorität

Politische Kritik kann dann schnell zu einer Art säkularisierter Gotteslästerung werden. Man könnte natürlich sagen: Immerhin wird hier Jesus noch als Synonym für das Gute genommen, das ist doch was in einer ansonsten säkularisierten Gesellschaft. Eine große moralische Autorität scheint dieser Jesus von Nazareth wohl noch zu besitzen, sonst würde man ihn ja nichts ins Zentrum eines politisches Slogans setzen. Stimmen kann man mit Jesus offenbar noch machen. Aber so eine Argumentation greift zu kurz, denn sie verkennt, wie hier intellektuelle Bräsigkeit und politischer Messianismus ein gefährliches Bündnis eingehen. 

Es ist noch nicht so lange her: Wohl bis in die 80er Jahre hinein konnte man von Kanzeln hören, man solle sein Kreuzchen bei einer christlichen Partei machen. Dass damit eine ganz bestimmte, nämlich die mit dem "C" im Namen gemeint war, war den Zuhörern selbstverständlich. Daran gab es ganz zurecht immer mehr Kritik. Denn es ist ein politische Anmaßung zu behaupten, das Christentum könne vollkommen im Programm einer politischen Partei aufgehen.

Suggeriert wird: Parteiprogramm und Religion sind identisch

Indem so öffentlich eine Identität zwischen Parteiprogramm und Religion suggeriert wird, werden diejenigen, die aus vielerlei Gründen die Inhalte dieses Programms nicht teilen mögen, auch von der Religion ferngehalten. Sie folgen dem öffentlichen Zerrbild und kommen zu dem Schluss, dass sie mit dieser Sache nichts zu tun haben wollen. Freilich gibt es aber auch die anderen, die Reflektionsmüden, die froh sind, dass ihnen gesagt wird, wie sie bei Wahlen abstimmen können. 

Die Grünen gehören zumindest in Teilen von ihrer Entstehungsgeschichte eigentlich zu denjenigen, die die einseitige Vereinnahmung des C für politische Positionen abgelehnt haben. Aber mit der Verbürgerlichung, die auch das grüne Milieu erfasst hat, kommt offenbar auch die Denkfaulheit. Statt zu fragen: Sind wir wirklich die Guten?, reicht die Aussage: Wir sind die Guten! - und Jesus kommt als Gütesiegel oben drauf. So viel zur intellektuellen Bräsigkeit.

Gefährlich wird das Ganze, wenn es mit einem politischen Messianismus einhergeht: einem säkularisierten religiösen Eifer. Dann wird aus dem politischen Mitbewerber schnell der Gegner, dem die politische Hölle droht. Solche Tendenzen sind jetzt schon bei "Fridays for Future" zu spüren, aber eben auch bei den Grünen, immer wieder etwa in ihrer Jugendorganisation. Natürlich können Christen aus ihrem Glauben Politik betreiben.

Die Anmaßung der Grünen

Es gibt aber keine christliche Politik, sondern nur Politik von Christen. Man kann also von sich sagen, Ich will Jesus nachfolgen und versuche dies in meine politische Arbeit einzubringen. Aber zu behaupten: Die Art und Weise wie ich Politik mache, ist die optimale Form dieser Nachfolge, das ist eine Anmaßung. Die Berufung auf Jesus sollte zu einem anderen Effekt führen: Werde ich meinen Ansprüchen, ihm nachzufolgen, auch nur ansatzweise gerecht? Demut ist hier gefragt, nicht Größenwahn.

Und bei den Grünen sticht ein Punkt in ihrem Wahlprogrammentwurf besonders hervor, da steht auf S. 102:  "Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, sollen selbst über ihren Körper und ihr Leben entscheiden können. Eine gute Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und umfassender Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sind dafür notwendig." Solche Positionen darf man in diesem Land vertreten, aber dafür Jesus zu vereinnahmen ist im besten Falle dumm, im schlechtesten eine gefährliche Strategie.

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