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Gipfel zwischen Biden und Xi: Kaum versteckte Differenzen

Dass es überhaupt zum Gipfel zwischen Amerikas Präsidenten und dem chinesischen Staatschef kam, ist positiv. Doch bei dem Treffen traten die tiefen Gräben offen zutage.
Joe Biden und Xi Jinping
Foto: Susan Walsh (AP) | Joe Biden, Präsident der USA, spricht während eines virtuellen Treffens mit Xi Jinping, Präsident von China.

Vorneweg: Allein die Tatsache, dass der amerikanische Präsident Joe Biden und sein chinesischer – man muss es so ausdrücken – Gegenspieler Xi Jinping am Dienstag zu einem Online-Gipfel zusammentrafen, ist ein erfreuliches Zeichen. Darüber hinaus lässt sich dem aktuellen Stand des Verhältnisses zwischen den USA und China jedoch kaum wesentlich mehr Positives abgewinnen.

Xi lässt sich nicht die Marschroute vorgeben

Was aus dem Online-Gipfel Bidens mit Xi an die Öffentlichkeit drang, lässt zwar auf den ersten Blick eine Bereitschaft zum Dialog erkennen. So machte Biden gegenüber Xi deutlich, dass der Wettbewerb zwischen den beiden Ländern nicht in einen Konflikt ausarten dürfe, „ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt“. Der chinesische Präsident wiederum betonte, man müsse verhindern, dass die Beziehungen „vom Kurs abkommen und außer Kontrolle geraten“.

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Hinter der mehr oder minder geschliffenen Rhetorik traten die tiefen Gräben jedoch offen zutage: Ein akutes Beispiel: der Konflikt um Taiwan. Xi drohte, die demokratische Inselrepublik im Falle einer formellen Abspaltung zu erobern, um eine „Wiedervereinigung“ zu erreichen. Die USA hingegen sehen es als Verpflichtung, Taiwan vor chinesischer Aggression zu schützen. Auch Biden sprach Differenzen offen an, etwa den Umgang Chinas mit den Uiguren, die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong sowie die von Machtstreben geprägte Handels- und Wirtschaftspolitik der kommunistischen Großmacht. Das Treffen zeigt aber auch, dass Chinas Staatschef keinesfalls bereit ist, sich von Biden die Marschroute vorgeben zu lassen – im Gegenteil. Xi wähnt sich in einer Position der Stärke und scheint gewiss, das bessere Blatt auf der Hand zu haben.

Innenpolitische Konflikte schwächen Biden

Auch den letzten dürfte in den vergangenen Monaten klar geworden sein: In einer multipolaren Welt wird der Umgang mit China in Zukunft wohl die größte Herausforderung darstellen – nicht nur für Amerika. Umso wichtiger ist es, dass die USA als einstmaliger Anführer der westlichen Welt dem immer selbstbewussteren Auftreten Chinas entschieden entgegentreten.

Die Tatsache, dass die USA auch seit Bidens Amtsantritt in innenpolitische Grabenkämpfe verstrickt sind, die alles andere als Geschlossenheit nach Außen signalisieren, spielt den Chinesen zusätzlich in die Hände. Angesichts miserabler Umfragewerte, eines äußerst durchwachsenen ersten Jahres im Weißen Haus und angesichts einer republikanischen Partei, die kaum eine Chance verstreichen lässt, gegen den Präsidenten auszuteilen, kann China genüsslich die Muskeln spielen lassen. Und seine Machtposition mit Leichtigkeit weiter ausbauen.

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