Nur zwei amtierende Regierungschefs in der Europäischen Union und ein ehemaliger deutscher Bundeskanzler haben Neujahrsglückwünsche von Wladimir Putin erhalten: Viktor Orbán, Robert Fico und Gerhard Schröder. Die Begründung des Kreml lautet: Anders als der Rest Europas würden sich Ungarn und die Slowakei durch den Verzicht auf eine „russophobe Politik“ auszeichnen. Aus dem Kreml-Neusprech übersetzt, bedeutet das: Die Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei zeigen großes Verständnis für die politischen Positionen Putins und würden – ungeachtet des massenmörderischen Kriegs in der Ukraine – mit ihm gerne wieder Geschäfte machen als sei nichts gewesen.
In beiden Fällen lautet das Codewort dazu: Gas. Ungarn und die Slowakei sind in höchstem Maße von russischem Gas abhängig – und das ist die russische Exportwirtschaft auch. Darum reisten Viktor Orbán Anfang Juli und Robert Fico kurz vor Weihnachten nach Moskau, um mit Putin über Frieden zu sprechen. Frieden bedeutet in diesem Kontext eine ungestörte Fortsetzung der Gas-Geschäfte, gerne auch mit dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin selbst. Wie Bert Brecht einst so treffend sagte: „Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Weltpolitik kann zynisch sein
Dass die Ukrainer mit ihrem hartnäckigen Überlebenswillen diese Geschäfte stören, haben der slowakische Regierungschef Fico und sein Verteidigungsminister Kalinak ihnen öffentlich deutlich gesagt: Damit es zu einem Frieden mit Russland kommen kann, müsse die Ukraine einen Teil ihres Staatsgebietes aufgeben, ließen sie das Nachbarland (und den Rest der Welt) wissen. Und um dieser These Nachdruck zu verleihen, kündigte die Slowakei an, der Ukraine den Strom abzudrehen, sollte sich Kiew weigern, weiterhin russisches Gas durch die Ukraine nach Westen zu leiten – und damit Putins Krieg selbst mitzufinanzieren.
Auf die Idee, dass all das den slowakischen Regierungschef Robert Fico für die Rolle eines „ehrlichen Maklers“ zwischen Moskau und Kiew qualifiziert, muss man erst einmal kommen. Doch Weltpolitik kann zynisch sein: Bei seinem vorweihnachtlichen Besuch in Moskau haben Fico und Putin genau darüber geplaudert. „Warum nicht?“, meinte Putin nachher gönnerhaft. „Die Slowakei nimmt aus unserer Sicht eine neutrale Position ein.“ Und Fico replizierte: „Wenn sich jemand an uns wendet und daran interessiert ist, in der Slowakei Friedensgespräche über den ukrainisch-russischen Konflikt zu organisieren, kann er auf unsere Gastfreundschaft zählen.“
Niemand sehnt sich mehr nach Frieden als die Ukrainer. Aber angesichts von mehr als tausend Tagen brutaler russischer Aggression haben sie einen Vermittler verdient, der mehr Sinn für Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit und Frieden hat – und weniger von Putins Gas abhängig ist. Robert Fico hat mit seinem Agieren der Ukraine, der Slowakei und der Geschlossenheit der europäischen Politik schwer geschadet.
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