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Europäische Bürger wollen kein Abtreibungsrecht

Nimmt man die Eingaben beim Europäischen Parlament zum Maßstab, dann wollen EU-Bürger weder ein Grundrecht auf Abtreibung, noch die grenzüberschreitende Anerkennung der Elternschaft. Doch wie aussagekräftig sind die Zahlen?
59.000 EU-Bürgerinnen und Bürger gegen Recht auf Abtreibung
Foto: IMAGO/Beata Zawrzel (www.imago-images.de) | In der größten jemals von „Ask EP“ verzeichneten Kampagne forderten über 59.000 Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2024 die Mitglieder des Parlaments auf, gegen die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die ...

Immer wieder muss sich die Europäische Union den Vorwurf gefallen lassen, weit weg von ihren Bürgern zu sein und es an der nötigen Transparenz fehlen zu lassen. Kein Wunder, dass den wenigsten EU-Bürgern bekannt sein dürfte, dass es eine Abteilung gibt, die als Schnittstelle zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Europäischen Parlament fungiert. Die Citizens' Enquiries Unit, auch „Ask EP“ genannt, beantwortet Briefe, E-Mails und andere Anfragen der Öffentlichkeit zu den Aktivitäten, Positionen und allgemeinen EU-Themen des Parlaments.

Abtreibung soll nicht in die Grundrechtecharta

2024 erhielt „Ask EP” 10.578 Einzelanfragen – etwa mit Fragen zu persönlichen Anliegen, nach Praktikums- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie nach Besuchsmöglichkeiten des Parlaments – und 90.709 koordinierte Kampagnenanfragen.

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In der größten jemals von „Ask EP“ verzeichneten Kampagne forderten über 59.000 Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2024 die Mitglieder des Parlaments auf, gegen die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta zu stimmen. Im April 2024 hatte das Parlament eine Entschließung verabschiedet, die den Europäischen Rat auffordert, ein Verfahren zur Aufnahme des Rechts auf sichere und legale Abtreibung in die Charta einzuleiten. Den Vorschlag, ein Abtreibungsrecht in die EU-Grundrechtecharta aufzunehmen geht auf den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zurück. Frankreich nahm im März 2024 ein Grundrecht auf Abtreibung in seine Verfassung auf.

Keine EU-weite Anerkennung der Leihmutterschaft

Anfang 2024 gingen außerdem fast 16.000 Nachrichten in deutscher Sprache ein, in denen Bürgerinnen und Bürger ihre Besorgnis über einen Vorschlag der Europäischen Kommission zur Regulierung der Anerkennung der Elternschaft in der EU äußerten. Die Bürger forderten die Mitglieder des Parlaments auf, gegen den Vorschlag zu stimmen, da dieser in die Gesetzgebungsbefugnisse der EU-Länder eingreife.

Der Vorschlag sieht die Schaffung eines europäischen Elternschaftszertifikats vor, um die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat begründeten Elternschaft in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern. Faktisch würden damit alle EU-Länder dazu gezwungen, sich jeweils dem Land mit dem progressivsten Abstammungsrecht anzupassen. So müsste ein Land, das Leihmutterschaft verbietet, die Elternschaft auch der Personen anerkennen, die in einem anderen EU-Land Leihmutterschaft in Anspruch genommen haben und dort als Eltern des auf diese Weise entstandenen Kindes anerkannt wurden. Gleiches gilt für die Adoption durch homosexuelle Paare.

Erst an dritter Stelle stand 2024 die Forderung von fast 6.000 EU-Bürgern, die EU solle ein striktes Klimaziel für 2040 festlegen, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5°C zu halten und fossile Brennstoffe schrittweise abzuschaffen. 

Sowohl die Änderung der EU-Grundrechtecharta als auch die Einführung einer grenzüberschreitenden Anerkennung von Elternschaft erfordert die Zustimmung aller Mitgliedstaaten und ist derzeit unwahrscheinlich.

Was sagen die Bürgereingaben aus?

Laut Statistischem Bundesamt hatte die EU 2024 452,9 Millionen Bürger. Mit 59.000 Bürgern haben sich damit 0,01 Prozent gegen ein Grundrecht auf Abtreibung in der EU-Grundrechtecharta ausgesprochen, was man als eine zu vernachlässigende Größe ansehen könnte. Um die Aussagekraft der Zahlen einzuschätzen, ist jedoch dreierlei zu beachten: Laut der Faustregel, deren Politiker sich bedienen, um das Gewicht von Bürgerbriefen zu bewerten, repräsentiert jede Einzelzuschrift 1.000 weitere Personen. Damit läge der Anteil der Bürger, die ein Abtreibungsrecht ablehnen, bereits bei zehn Prozent. Zusätzlich muss die Überlegung bedacht werden, die eingangs angestellt wurde: Die Möglichkeit, sich direkt an das Europäische Parlament zu wenden, dürfte bei den EU-Bürgern deutlich weniger bekannt sein als etwa der eigene Bundestagsabgeordnete. Drittens ist die wenn auch noch so geringe Zahl von 59.000 Bürgern ins Verhältnis zu setzen mit der Anzahl der Eingaben zu sonstigen Themen. Dort ist das Thema Abtreibung eindeutiger Gewinner.

Und letztens ist zu beachten: Bei den Eingaben zum Thema Abtreibungsrecht und grenzüberschreitende Anerkennung zur Elternschaft handelt es sich um Anfragen, die im Rahmen koordinierter Kampagnen eingegangen sind. Wie auch immer man nun zu dem Zahlenspiel stehen mag, eines ist damit klar: Das europäische Lebensrechts- und Kinderschutznetzwerk funktioniert. Und das ist eine gute Nachricht. 

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