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Ein Sieg der ukrainischen Zivilgesellschaft

Präsident Selenskyj wollte die Antikorruptionsbehörden an die kurze Leine nehmen. Aber die Ukraine ist nicht Russland: Einen allmächtigen Präsidenten dulden ihre Bürger nicht.
Ukrainer demonstrieren gegen Gesetz zur Kontrolle der Antikorruptionsbehörden
Foto: IMAGO/Danylo Antoniuk (www.imago-images.de) | Die ukrainische Zivilgesellschaft demonstriert in Kiew gegen Gesetz zur Kontrolle der Antikorruptionsbehörden.

Was in Russland undenkbar wäre, ist in der Ukraine gerade passiert: Die Bürger weisen ihren Präsidenten in die Schranken. Wolodymyr Selenskyj hatte das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Sonderstaatsanwaltschaft für den Kampf gegen Korruption (SAP) ihrer Unabhängigkeit beraubt, indem er sie dem Generalstaatsanwalt unterstellte, der seinerseits vom Präsidenten ernannt wurde. Das Parlament in Kiew, traditionell ein Ort heftiger Kontroversen, hatte das Gesetz zur Neuregelung am Dienstag bereits durchgewunken.

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Selenskyj hatte für sein Vorgehen durchaus Argumente: Der ukrainische Geheimdienst sah die beiden Behörden von russischen Agenten durchsetzt; hohe Beamte wurden nach Hausdurchsuchungen verhaftet und angeklagt. Dass die Ukraine mitten in ihrem Überlebenskampf robust gegen Spione und Einflussagenten des Aggressor-Staates vorgeht, ist durchaus verständlich. Kein Verständnis jedoch hatten die Ukrainer für eine Kontrolle des Präsidenten über die Korruptionsbekämpfung. Also gingen in den vergangenen Tagen Zehntausende auf die Straßen.

Der Kampf gegen Korruption geht weiter

Trotz der anhaltenden russischen Drohnen- und Raketenattacken erhob sich die ukrainische Zivilgesellschaft: gegen zu viel Macht in der Hand des Präsidenten, für eine unabhängige Kontrolle der Regierenden. Gerade in einem Land, das – ebenso wie der größere Nachbar – die Seuche der Korruption aus Sowjetzeiten geerbt hat, ist das ein klares Zeichen: Während Wladimir Putin ab dem Jahr 2000 die unter Boris Jelzin uferlose Korruption und maßlose Bereicherung der mafiosen Oligarchen nur verstaatlicht, also unter die Kontrolle seiner ebenfalls mafiösen FSB-Seilschaften gebracht hat, wandte sich die Ukraine ab dem „Maidan“ und dem Sturz des Putin-Lakaien Janukowitsch 2013/14 von der postsowjetischen Korruption ab und europäischer Rechtsstaatlichkeit zu. 

Diese Neuausrichtung haben die ukrainischen Bürger ihrem Präsidenten in diesen Tagen noch einmal machtvoll vor Augen geführt. Schützenhilfe bekamen sie aus Brüssel: Die EU-Kommission hat vor wie hinter den Kulissen klargestellt, was sie mit ihrer bedingungslosen Unterstützung der Ukraine meint. Die Europäische Union ist solidarisch mit einer freien, rechtsstaatlichen und demokratischen Ukraine – aber mit ihrem Präsidenten nur, solange er dieser dient. Immerhin war Selenskyj klug genug, die Kritik von der Straße und die Kritik aus Brüssel ernst zu nehmen. Nach nur zwei Tagen ruderte er zurück: NABU und SAP bleiben unabhängig, der Kampf gegen die Korruption in der Ukraine kann weitergehen. In Russland hat er noch nicht einmal begonnen.

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