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Wir brauchen ein wehrhaftes Europa

Willst du Frieden, rüste zum Krieg, wusste schon die Antike. Solange es Wölfe gibt, genügt es nicht, ein friedfertiges Schaf zu sein.
Europa muss zu einer robusten Friedensmacht werden
Foto: IMAGO/Peter Casey (www.imago-images.de) | Auch wenn es unbequem ist: Europa muss zu einer robusten Friedensmacht werden.

Nein, Wladimir Putin hat sich nicht verändert. Er war stets der sowjetnostalgische Revanchist, der die Fehler von Gorbatschow und Jelzin reparieren und die Weltmachtrolle Russlands wiederherstellen wollte. Verändert hat sich nur der westliche Blick auf ihn: Die Illusionen vom „Ende der Geschichte“ und vom „Wandel durch Handel“ sind zerborsten. Putins genozidaler Krieg in der Ukraine, seine hybriden Einflussoperationen, Cyber- und Drohnenattacken selbst in NATO-Staaten haben klargemacht, dass Europa herausgefordert ist und sich verteidigen muss.

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Der Frieden in Europa ist gefährdet, und zwar nicht etwa, weil Europa die Ukraine unterstützt, sondern weil es sie zu spät und zu wenig unterstützte. Europa hat Putins militärische Operationen in Tschetschenien, Georgien, Syrien, Afrika und selbst noch 2014 in der Ukraine mit halbherzigen Protesten hingenommen und vieles getan, um die eigenen Illusionen zu erhalten. Mehr als zwei Jahrzehnte lang durfte Putin annehmen, dass die Europäer tatsächlich so schwach und dekadent sind, wie seine Propaganda behauptet. Erst sein Versuch, die Ukraine vollständig zu liquidieren, hat Europa aufgeweckt. Jetzt, im Wachzustand, stellen die Europäer fest, dass Putins Einflussagenten überall aktiv sind: auf dem Balkan, in Osteuropa und im Kaukasus, in Parteien und Medien Europas, teils sichtbar und vielfach verborgen.

Europa braucht eigene Mittel und Methoden der Konfliktprävention

„Si vis pacem, para bellum“ (Willst du Frieden, rüste zum Krieg), wusste schon die Antike. Solange es Wölfe gibt, genügt es nicht, ein friedfertiges Schaf zu sein. Es bedarf auch des Hirten und seiner Hunde, um die Herde nötigenfalls zu verteidigen. Diese Rolle überließen die Europäer allzu lange den USA, doch dank Donald Trump ist glasklar, dass Amerika seine eigenen Ideen und Interessen vertritt. Da mag es gewiss eine Schnittmenge mit Europas Sicherheitsinteressen geben, aber deckungsgleich sind die transatlantischen Ziele längst nicht mehr.

Europa braucht, wenn es seine Lebensform retten will, eigene Mittel und Methoden der Konfliktprävention. Dafür muss es sich endlich seiner Werte vergewissern, seine Ressourcen bündeln, seine Ziele gemeinsam definieren und entschlossen verteidigen. Auch wenn es unbequem ist: Europa muss zu einer robusten Friedensmacht werden.

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