Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kein "Recht" auf Abtreibung

EGMR-Urteil zu Polen: Pflicht zur Solidarität mit den Wehrlosesten

Ein Staat, der Rechtsstaat bleiben will, kann das Töten nicht privatisieren. Gedanken zum EGMR-Urteil in einem polnischen Abtreibungsfall.
Demonstration in Warschau
Foto: IMAGO/Aleksander Kalka (www.imago-images.de) | Teilnehmer einer Demonstration für den Zugang zu Abtreibungen in Warschau.

Vergangene Woche hat der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) einer Klägerin aus Warschau in Teilen Recht gegeben, die die Republik Polen verklagt hatte, weil diese ihr Anfang 2021 die Abtreibung eines Kindes mit Down-Syndrom verweigerte. Der Fall ist kompliziert, was die korrekte Wiedergabe aller relevanten Aspekte erschwert. Das mag erklären, warum Teile der Medien mit ihrer Berichterstattung den Eindruck erwecken, als verstoße ein Verbot, ein Kind mit Behinderung abzutreiben, gegen das in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. In Wirklichkeit ist nur wenig falscher.

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Es gibt kein Recht auf Abtreibung. Weder im europäischen noch im internationalen Recht. Und ein solches Recht kann es auch nicht geben. Denn es wäre gleichbedeutend mit dem Recht, einen völlig wehrlosen und gänzlich unschuldigen Menschen zu töten. Wer aber das Recht hat, einen völlig unschuldigen und wehrlosen Menschen zu töten, der hat auch das Recht, jeden anderen zu töten.

Bürger müssen für ihre Handlungen Verantwortung übernehmen

Dass es ein Recht auf Abtreibung nicht geben kann, bedeutet nicht, dass niemand ein solches beschließen könnte. Es bedeutet aber, dass ein Parlament, das dies täte, auch das Recht selbst suspendieren würde. Das generelle Tötungsverbot mag Ausnahmen wie den finalen Rettungsschuss im Fall einer Geiselnahme oder die Liquidierung von Terroristen auf Anordnung eines Staates kennen und sogar vertragen. Doch basieren sie allesamt auf Formen der Notwehr. Und die lässt sich gegen ein wehrloses und unschuldiges Kind nicht in Anschlag bringen. Ein Staat, der Rechtsstaat bleiben will, kann das Töten nicht privatisieren. Er muss seinen Bürgern "zumuten", für ihre Handlungen Verantwortung zu übernehmen, statt deren Folgen gewaltsam zu beseitigen. Auch dann, wenn ihm die genetische Ausstattung eines Kindes nicht zusagt. 

Aus der Tatsache, das dies jeden treffen kann, ergibt sich eine Pflicht zur Solidarität mit denen, die davon betroffen sind. Und nur da, wo sie auch gelebt wird, trägt eine Gesellschaft ein humanes Antlitz.

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