Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Lebensrechtlerin im Interview

Diese Initiative ist „eine deutliche Schlappe“

Abtreibungsaktivisten sammeln 1,2 Millionen Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative. Die ALfA-Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski übt im Interview mit der „Tagespost“ scharfe Kritik an deren Zielen und Finanzierung.
Demo für Abtreibung in München
Foto: Lukas Schulz / aal.photo via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Die Europäische Bürgerinitiative „My Voice, My Choice“, die „sichere und zugängliche Abtreibungen“ fordert, hat auf dem Territorium der Europäischen Union eigenen Angaben zufolge 1,2 Millionen Stimmen gesammelt.

Frau Kaminski, die Europäische Bürgerinitiative „My Voice, My Choice“, die „sichere und zugängliche Abtreibungen“ fordert, hat auf dem Territorium der Europäischen Union eigenen Angaben zufolge 1,2 Millionen Stimmen gesammelt und damit das erforderliche Quorum erfüllt. Wie bewerten Sie als Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für alle“ (ALfA), einer der größten Lebensrechtsorganisationen in Europa, dieses Ergebnis?

Was von den Initiatoren als Erfolg verkauft wird, ist tatsächlich eine deutliche Schlappe: Die Europäische Bürgerinitiative „My voice, My choice“, die die Europäische Union auffordert, den Abtreibungstourismus über die Grenzen der Mitgliedsstaaten hinweg zu finanzieren, hat innerhalb der gesetzten Frist kaum mehr als 1,2 Millionen Unterschriften gesammelt. Die Zahl der Unterstützer bleibt damit deutlich hinter der von One of Us zurück, die auch von der ALfA unterstützt wurde und 2014 mit über 1,9 Millionen gesammelten Unterschriften die bislang erfolgreichste europäische Bürgerinitiative ist.

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Nein, die meisten Unterschriften wurden tatsächlich an Ständen in der Innenstadt, in Kirchengemeinden und auf Veranstaltungen gesammelt, ganz ohne massenweise Verbreitung über die sozialen Medien. Deutschland war hier besonders erfolgreich. Getragen wurde die Bürgerinitiative von Tausenden ehrenamtlich engagierten Bürgern, die ohne reichen Geldsegen durch „philanthropische“ Stiftungen auskommen mussten, dafür aber mit sehr viel Herzblut bei der Sache waren.

Apropos Finanzierung. Sie stört auch die Finanzierung der Initiative. Woran nehmen Sie Anstoß?

Ich halte die Finanzierung von „My Voice, my Choice“ für bedenklich. Recherchen des „European Center for Law and Justice“ ergaben: Gelder flossen dabei auch aus europäischen Steuertöpfen. Direkte finanzielle Unterstützung aus der EU erhielten 19 Unterstützerorganisationen dieser Bürgerinitiative, so etwa die österreichische Interessengemeinschaft feministischer Autorinnen und der Verein Amazone.

Zu den Initiatoren der Europäischen Bürgerinitiative zählt das „Institut 8. März“ in Slowenien. Wer oder was verbirgt sich dahinter?

„My Voice, My Choice“ wird vertreten durch die Slowenin Nika Kovač, Gründerin und Leiterin des Institut 8. März. Ursprünglich entstand das einflussreiche feministische Institut aus einer Kampagne zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Slowenien. Nach der Ablehnung des entsprechenden Gesetzes durch ein Referendum beschloss Kovač, eine dauerhafte Plattform für feministische und soziale Anliegen zu schaffen. Das „Institut“ setzt für die Durchsetzung politische Kampagnen auf „storytelling“ – Geschichten statt Fakten, könnte man sagen. Das Institut wird von der Open Society Foundation und International Planned Parenthood gefördert – deren europäischer Zweig IPPF European Network hat von der EU zwischen 2022 und 2025 3,2 Millionen Euro erhalten. Deutsche Unterstützer von „My Voice, My Choice“ – Center for Feminist Foreign Policy sowie Doctors for Choice – werden ebenfalls entweder direkt oder über den internationalen Verband durch die Open Society Foundation (OSF) gefördert, die insgesamt 20 der Unterstützerorganisationen subventioniert. Dass die Initiative dennoch weit hinter dem Erfolg von One of Us zurückblieb, ist angesichts dieser massiven Unterstützung mehr als erstaunlich.

Sie kritisieren auch die EU-Kommission, die sich nach der Erfüllung des Quorums nun mit den von „My Voice, my Choice“ erhobenen Forderungen auseinandersetzten muss. Warum?

Die Europäische Kommission hätte unter Beachtung der EU-Verträge diese Initiative gar nicht erst zulassen dürfen. Die Forderung der Initiative, die EU möge einen Geldtopf zur Finanzierung von Abtreibungen in ihren Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellen, verstößt gegen die Grundprinzipien der Subsidiarität und der Achtung der Souveränität der europäischen Mitgliedsstaaten. Abtreibung fällt nicht in die Zuständigkeit der EU – weder die Rechtsprechung hierzu noch deren Finanzierung. Nun, da das Ergebnis deutlich hinter dem Votum der europäischen Bürger für den Schutz des Lebens von 2014 zurückbleibt, ist auch das ein guter Grund für die Kommission, die Forderungen von My Voice, My Choice in aller Form zurückzuweisen. Der Schutz des Lebens und der Menschenwürde sind Teil des Wertefundaments, auf dem die Europäische Union ruht. Die Bürger Europas sind sich dessen mehrheitlich bewusst – und erwarten zu Recht von den Politikern in Brüssel und Straßburg, dass sie dieses Fundament nicht schleifen.

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Stefan Rehder Europäische Kommission Lebensrechtsbewegung Lebensschutz

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