Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Nach Fico-Attentat

Die Gewalt gegen Politiker nimmt zu

Nach dem Anschlag auf Robert Fico: Das Phänomen radikalisierter Einzeltäter ist nicht neu. Doch es gibt eine neue Dimension.
Ministerpräsident Robert Fico durch Schüsse lebensgefährlich verletzt
Foto: IMAGO/News Agency of the Slovak Republic (www.imago-images.de) | Der Mordanschlag auf den slowakischen Premierminister Robert Fico in einer Provinzstadt steht in einer Reihe mit versuchten oder erfolgten Mordanschlägen auf Politiker in jüngster Zeit.

Brauchen Politiker nun Personenschutz, eine Schutzweste oder darf es keine öffentlichen Wahlkampfauftritte mehr geben? Rückzug? Wer will noch in die Politik gehen, wenn Leib und Leben gefährdet sind? Das sind Schreckensszenarien in einer liberalen Demokratie, die ohnehin arg in dieser Weltunordnung gebeutelt ist. Oder sollten wir uns selbstbewusst machen gegenüber einzelnen Verrückten, die, teilweise paranoid, teilweise politisch motiviert, „losschlagen“?

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Der Mordanschlag auf den slowakischen Premierminister Robert Fico in einer Provinzstadt steht in einer Reihe mit versuchten oder erfolgten Mordanschlägen auf Politiker in jüngster Zeit. Fünf Schüsse fallen, dann wird der mutmaßliche Täter, ein 71 Jahre alter Schriftsteller, überwältigt. Fico kauert am Boden, eine Kugel hat ihn an der Brust getroffen.

Politiker aller Parteien werden tätlich angegriffen

Historisch ist das Phänomen der radikalisierten Einzeltäter nicht neu. Wir erinnern uns an  John F. Kennedy, an dessen Bruder Robert oder den Bürgerrechtler Martin Luther King. Unvergessen ist der Mordfall Olof Palme vom 28. Februar 1986. 1990 erschütterten zwei Attentate auf prominente Bundespolitiker die deutsche Öffentlichkeit: Am 25. April 1990 wurde der damalige sozialdemokratische Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine Opfer eines Messerangriffs. Ein halbes Jahr später wurde der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ebenfalls im Wahlkampf von einem ebenfalls psychisch kranken Täter angegriffen. Am 5. Dezember 1993 zerfetzte, durch den rechtsextremen Einzeltäter Franz Fuchs, eine Briefbombe die linke Hand des damaligen Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk. Am 6. Mai 2002 wurde der erfolgreiche niederländische Rechtspopulist Pim Fortuyn auf dem Parkplatz in Hilversum ermordet, neun Tage vor der Parlamentswahl.

Nun scheint aber eine neue Dimension erreicht. Während der sogenannten Flüchtlingskrise wurde die britische Parlamentsabgeordnete Helen „Jo“ Cox wegen ihrer humanitären Haltung durch einen Einzeltäter ermordet. Aus den gleichen Motiven traf des den deutschen Lokalpolitiker Walter Lübcke per Kopfschuss auf seiner Terrasse. Während der Corona-Pandemie wurden Politiker zu Zielen, nachdem sich der Hass über Telegram-Gruppen kulminiert hat. Kommunalpolitiker, die bedroht wurden, sind zurückgetreten. Politiker aller Parteien werden tätlich angegriffen.

Was tun? Uns bleiben nur zwei Ebenen, die der öffentlichen Sicherheit und der politischen Politik. Wenn Politiker zu Hassobjekten werden, geht es um die Bedeutung der Politik an sich. Und um mehr: ein friedliches Gemeinwesen, das sich nun gegen radikale Individuen (er-)wehren muss.


Der Autor ist Forschungsdirektor am Europäischen Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention in Wien.

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