Ist Gott der Herr der Geschichte? Und wenn, war dann auch die deutsche Wiedervereinigung, die sich am Freitag zum 35. Mal jährt, ein Geschenk Gottes? Dieser doch sehr religiösen Weltdeutung stimmt laut einer INSA-Umfrage im Auftrag der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA eine relative Mehrheit der Deutschen zu, nämlich ganze 43 Prozent. Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen gibt es zu dieser Fragestellung demnach annähernd keine (auch 42 Prozent der Ostdeutschen sehen die Einheit als Gottesgeschenk), was insofern erstaunlich ist, als der Anteil der Konfessionslosen in Ostdeutschland wesentlich höher liegt (nach Zahlen von 2022 bei 77 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent im Westen).
Unterschiede zeigten sich hingegen zwischen Jungen und Alten sowie zwischen den Anhängern der unterschiedlichen Parteien. Während 50 Prozent der 30- bis 39-jährigen Befragten ein Gottesgeschenk in der Wiedervereinigung sahen, taten dies nur 35 Prozent der 50- bis 59-Jährigen. Und während 56 Prozent der Unionswähler die Wiedervereinigung derart bezeichneten, stimmten der Aussage „Ich empfinde die Wiedervereinigung als ein Geschenk Gottes“ nur 38 Prozent der AfD-Wähler zu, ähnlich wenige wie in der Gruppe der Konfessionslosen (immerhin 36 Prozent). Unter den katholischen Befragten lag der Wert bei 49 Prozent.
Im besten Wiedervereinigungs-Zeitzeugen-Alter befinden sich auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing (64), und die EKD-Ratsvorsitzende Kerstin Fehrs (63). In einem gemeinsamen Statement zum 35. Jahrestag der deutschen Einheit zitieren die beiden Bischöfe das Buch Deuteronomium, in dem es heißt: „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich geführt hat“ (Dtn 8,2). Die Verantwortung für das historische Geschehen verorten Fehrs und Bätzing in ihrer Wortmeldung aber „maßgeblich“ bei den vielen Menschen, die durch ihren „mutigen Einsatz“ die friedliche Revolution ausgelöst hätten. Vielfach, so die Geistlichen, „gingen die Impulse von Christinnen und Christen aus, die mit Friedensgebeten und mutigem Engagement gegen das Unrecht und für Demokratie anderen ein Beispiel gaben.“ Nun wachse seit 35 Jahren „zusammen, was zusammengehört“. (DT/jra)
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