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Die Dämonisierung des Eduard Zimmermann

Früher wurde der Erfinder von „Aktenzeichen XY“ für seine Verdienste um die Verbrechensbekämpfung gefeiert. Jetzt wird er in einer ZDF-Dokumentation als böser konservativer Dunkelmann dargestellt. Ein neues Beispiel für ideologische Verirrung.
Eduard Zimmermann
Foto: Istvan Bajzat (dpa) | Eduard Zimmermann, Vater des ZDF-Klassikers "Aktenzeichen XY ... ungelöst" auf einem Archivfoto vom September 1986.

Ob Politiker in den Parlamentsferien abends mal Fernsehen schauen? Gestern hätten sie jedenfalls im ZDF ein neues Beispiel dafür sehen können, wie sehr die Perspektiven von Senderverantwortlichen und der Bevölkerung auf zentrale Fragen auseinandergehen. Diesmal stand die innere Sicherheit im Mittelpunkt. Alle Umfragen belegen, dass der Schutz vor Verbrechen bei den Menschen ganz oben steht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser versuchte zuletzt mit ihren Vorschlägen zur Bekämpfung zur Clan-Kriminalität auf diese Stimmungslage zu reagieren. In Berlin scheint also zumindest ansatzweise angekommen zu sein, dass Sicherheit ein politisches Top-Thema ist.

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Auf dem Mainzer Lerchenberg ist es anders. Dabei hätte das ZDF eigentlich Grund genug, stolz zu sein: Seit Ende der 60er Jahre strahlt der Sender mit „Aktenzeichen XY“ eine der weltweit erfolgreichsten Fernseh-Formate zur Verbrechensbekämpfung aus. Unzählige Kriminelle sind seither durch Mithilfe der Zuschauer hinter Schloss und Riegel gekommen.

Dämonisierung Zimmermanns

Aber von Stolz auf diese mediale Pioniertat kann wahrlich keine Rede sein: Regina Schilling setzt in „Diese Sendung ist kein Spiel“ gänzlich andere Akzente. Ja, man kann sogar von einer Dämonisierung Zimmermanns sprechen. Einst wurde „Ganoven-Ede“, wie seine Fans den 2009 gestorbenen Journalisten nannten, für seine Verdiente gefeiert, bekam das Große Bundesverdienstkreuz. Überhaupt war er neben Tagesschau-Sprecher Karl-Heinz Köpcke wahrscheinliches eines der Gesichter dieser Fernseh-Dekade. Zimmermann kannte wirklich jedes Kind. 

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Foto: privat / dpa | Woche für Woche berichtet unser Berlinkorrespondent in seiner Kolumne über aktuelles aus der Bundeshauptstadt.

Und genau da setzt Schilling an: Zimmermann habe ihr, Jahrgang 1962, und ihrer Generation als Kindern Angst gemacht. Er und seine Sendung hätten ein Gefühl der ständigen Bedrohung durch das Böse verbreitet und so obrigkeitsstaatliche und autoritäre Tendenzen bei den Deutschen verstärkt. Zimmermann habe ein eindimensionales Bild von der Gesellschaft gezeichnet, dort die bösen Verbrecher, hier das anständige Deutschland mit einem ordentlichen bürgerlichen Familienleben. Schilling stilisiert Zimmermann zu einer Art Agent des reaktionären, alten Deutschlands, das sich den Emanzipationsbestrebungen der 70er Jahre entgegenstellt. So wird der Verbrecher-Jäger zum bösen Dunkelmann. 

Die Ausschnitte aus den Sendungen sprechen eine eigene Sprache

Aber glücklicherweise besteht die Doku nicht nur aus den psychologisierenden Kommentaren von Schilling, die Ausschnitte aus den Sendungen sprechen eine eigene Sprache. Zimmermann erscheint hier nicht als reaktionärer Ideologe, sondern als zutiefst pragmatischer Realist, der einfach mit seiner Sendung dazu beitragen will, dass Verbrecher gefasst werden. Dabei verzichtet er freilich ganz auf irgendwelches abstraktes Brimborium, ihm, einem typischen Vertreter der „skeptischen Generation“, ist die Flucht in das Glasperlenspiel der Theorie fremd. Er will Ergebnisse. Ganz einfach.

Wenn man die Sequenzen aus den alten Sendungen sieht, stellt sich denn fast schon ein wenig Nostalgie ein: So viel Pragmatismus war einmal im deutschen Fernsehen möglich. Das ist auch eine Wirkung, wenn auch nicht die, die Regina Schilling und das ZDF vermutlich im Sinn hatten.

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Sebastian Sasse Nancy Faeser

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