Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Der Geist des Hasses kennt keine Grenzen

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas bedroht auch Ägypten, Jordanien und den Libanon.
Nahostkonflikt - Demonstration in Ägypten
Foto: Amr Nabil (AP) | Druck der Straße: Ägyptische Demonstranten verbrennen eine israelische Nationalfahne während einer Solidaritätsdemonstration mit den Palästinensern.

Die Regierungen in Kairo, Amman und Beirut sind an einem Waffenstillstand oder wenigstens einer Feuerpause im Gaza-Gebiet überaus interessiert. Und das nicht um der Palästinenser Willen, sondern weil Israels Waffengang gegen die Hamas indirekt auch die arabischen Nachbarstaaten bedroht. Alle drei Staaten leben (anders als Syrien und der Iran) im Frieden mit Israel, aber eine Radikalisierung in ihrer eigenen Bevölkerung kann für diese Staaten lebensgefährlich sein. Und genau darauf zielt die Hamas.

Die Hamas verwendet die Bevölkerung im Gazastreifen als lebendige Schutzschilde, etwa indem sie Waffenlager unter Schulen und bei Krankenhäusern anlegte. Und sie missbraucht ihre Bevölkerung zu Propagandazwecken: Bei ihrem Terrorangriff vom 7. Oktober hat die Hamas das Leid der Palästinenser eiskalt einkalkuliert, und nun dienen jedes Foto eines toten Kindes und jede Filmsequenz weinender Mütter dazu, die Emotionen in der arabischen Welt hochkochen zu lassen.

Lesen Sie auch:

Weil die Bevölkerungsmehrheit in Jordanien palästinensischer Herkunft ist, steigt der Druck im haschemitischen Königreich bedrohlich an. Der König will nur Ruhe und muss doch Solidarität zeigen. Die jüngste UN-Resolution zum Krieg um Gaza, die bekanntlich von Jordanien eingebracht wurde, hatte innenpolitisch den Zweck, Druck aus diesem Kessel abzulassen und die eigene Bevölkerung zu beschwichtigen. Der König weiß, dass er Frieden mit Israel und in der eigenen Bevölkerung braucht, um sein System zu erhalten.

Kairo und Amman blicken in einen Abgrund

Ähnlich in Ägypten: Präsident Al-Sisi lässt jetzt Muskeln spielen, nicht um Israel zu drohen, sondern um die zwar verbotene, aber überaus mächtige Muslimbruderschaft im eigenen Land unter Kontrolle zu halten. Darum will sich Kairo – wie Amman – auf gar keinen Fall in diesen Krieg hineinziehen lassen. Als nun zwei Drohnen auf der ägyptischen Seite des Roten Meeres niedergingen, warf sich Al-Sisi in Pose: „Eine Erweiterung des Konflikts liegt nicht im Interesse der Region.“ Das ist ehrlich. Und klingt doch besorgt: Alle sollten die Souveränität Ägyptens respektieren, denn „Ägypten ist ein sehr starkes Land, das nicht angerührt werden kann“. So jedenfalls hofft Al-Sisi.

Noch dramatischer steht es um den Libanon: Hier ist der einst blühende Staat bereits kollabiert und funktionsunfähig. Im Süden herrscht die schiitische Hisbollah, die ihre Befehle aus Teheran bekommt und Beirut getrost ignorieren kann. Diese Terrorgruppe hat den Süden des Libanon zum Rückzugsraum und Stützpunkt für ihre militärischen Attacken in Syrien sowie gegen Israel gemacht. In Kairo und Amman wissen die Regierenden, dass eine solche Entwicklung auch ihren Ländern droht, wenn der Ungeist der Hamas, der Geist des Hasses über die Grenzen schwappt: Dann droht Jordanien und Ägypten ein „libanesisches Schicksal“.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Gazastreifen Hamas Hisbollah UN-Resolutionen Waffenruhen

Weitere Artikel

Die vom Iran orchestrierte Eskalation zwischen Israel und der Hamas bedroht auch Ägypten, Jordanien und den Libanon.
04.11.2023, 09 Uhr
Stephan Baier
Bedachtsam und voll Wohlwollen kritisiert der vatikanische Außenminister Parolin Israels Vorgehen im Gazastreifen. Es gibt gute Gründe, ihn ernst zu nehmen.
14.02.2024, 11 Uhr
Stephan Baier

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus