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Der Druck auf Israel wächst

Auch viele Israelis fragen sich: Geht es Regierungschef Netanjahu noch um die Geiseln und die Sicherheit Israels – oder um Netanjahu?
Kritik an Israels Premierminister Benjamin Netanjahu
Foto: IMAGO/Gaby Schutze (www.imago-images.de) | Israelische Demonstranten bringen in Tel Aviv ihren Unmut über Premierminister Benjamin Netanjahu zum Ausdruck.

Jetzt will Irland nicht länger auf eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost hoffen, sondern einfach Fakten schaffen und Palästina als souveränen Staat anerkennen. Gewiss, das hebt die Weltpolitik nicht aus den Angeln. Aber es ist auch nicht einfach abzutun, wie die von ideologischem Antikolonialismus getriebene Völkermordklage Südafrikas gegen Israel oder die an Heuchelei kaum überbietbare Klage des linksradikalen Terrorregimes in Nicaragua gegen Deutschland wegen fortgesetzter Unterstützung Israels.

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Ja, es gibt seit jeher – weit über die islamische Staatenwelt hinaus – notorische Israel-Hasser, die durch keine israelische Politik versöhnbar wären. Und ja, es gibt seit langem auch innerhalb der Europäischen Union keine einheitliche Sicht auf den Nahost-Konflikt, sondern einen deutlich benennbaren Riss. Jetzt aber wird die Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen lauter und breiter. Was der israelischen Regierung und Öffentlichkeit zu denken geben sollte: Die Warnungen, Mahnungen und Bedenken, die von Freunden und traditionellen Verbündeten geäußert werden, nehmen an Schärfe zu.

Biden rät nicht mehr. Er fordert

Die Regierung Netanjahu nimmt die US-amerikanische Waffenhilfe gerne an, schlägt aber alle US-amerikanischen Ratschläge in den Wind: Die geradezu emsigen Bemühungen von US-Außenminister Antony Blinken, vor oder zumindest während des Ramadan eine Waffenruhe zu verhandeln, sind gescheitert; die Mahnungen von US-Präsident Joe Biden, auf eine Bodenoffensive gegen die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens zu verzichten, wurden brüsk abgewiesen. Jetzt rät Biden nicht mehr, sondern er fordert eine Waffenruhe für mindestens sechs Wochen. Es geht um die humanitäre Versorgung der Menschen im Gazagebiet: ein weltpolitisch mehrheitsfähiges Argument.

Doch nicht nur auf der internationalen Bühne wird die Kritik am Kurs von Regierungschef Benjamin Netanjahu lauter. Auch auf Israels Straßen wird ein Zweifel daran sichtbar und hörbar, ob der politische Überlebenskünstler Bibi Netanjahu tatsächlich der Geiselfreilassung und der Sicherheit Israels oberste Priorität einräumt. Anders formuliert: Netanjahu weiß, dass seine (überaus lange) Zeit an der Spitze der israelischen Regierung abgelaufen ist, sobald wieder Ruhe einkehrt. Geht es Netanjahu vielleicht mittlerweile allzu sehr um Netanjahu?

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Stephan Baier Antony Blinken Benjamin Netanjahu Joe Biden Nahost-Konflikt Palästina

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