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Corona-Expertenrat nimmt Arbeit auf

Gesundheitsminister Lauterbach kündigt Stellungnahme zu Omikron noch vor Weihnachten an. Und der Impfstoff wird knapp.
Bundeskanzler Scholz mit Corona-Expertenrat
Foto: Guido Bergmann (Bundesregierung) | Der neue Corona-Expertenrat traf sich am Dienstag zur virtuellen Sitzung mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

Am Dienstag ist der neue Expertenrat, der Bund und Länder künftig in Fragen der Corona-Pandemie beraten soll, zum ersten Mal zusammengetreten. An der Sitzung des 19-köpfigen Gremiums nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, in dessen Geschäftsbereich der neue Expertenrat angesiedelt wurde, und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach teil. Wie Lauterbach im Anschluss an die Sitzung der Presse verriet, solle das Gremium gemeinsame Stellungnahmen verfassen. Diese sollten künftig die Grundlage für politische Entscheidungen bilden. Eine erste Expertise werden die Virusvariante Omikron zum Thema haben. Aufgrund der „Eilbedürftigkeit“ sei mit ihr noch vor Weihnachten zu rechnen.

Expertenrat soll keine Politik machen

Allerdings werde der Expertenrat keine Politik machen. „Die Politik machen wir. Der Expertenrat berät und dieser Ratschlag ist wertvoll und wird berücksichtigt, aber er ist kein Ersatz für die politischen Entscheidungen, die wir zu treffen haben“, stellte Lauterbach klar.

Lauterbach, der bereit bei seiner Amtseinführung vor einer Woche angekündigt hatte, Erkenntnisse der Wissenschaft „stärker als bisher zur Grundlage von politischen Entscheidungen“ machen zu wollen, nannte die Einsetzung des Expertenrates eine „bedeutsame Innovation in der Pandemiebekämpfung“. Das neue Gremium sei „qualitativ hochkarätig zusammengesetzt“. „Hier haben wir tatsächlich die besten Experten des Landes gewinnen können.“

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Tatsächlich gehören dem Gremium zahlreiche Experten an, die sich in der Vergangenheit immer wieder zu der Pandemie geäußert haben. Neben Christian Drosten, Leiter der Virologie der Berliner Charité und Hendrick Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, sind dies etwa die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler und der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Thomas Mertens. Aber auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, sowie die beiden Physiker, Viola Priesemann (Max-Planck-Gesellschaft) und Michael Meyer-Hermann (Helmholtz-Gemeinschaft), die sich als Modellierer mit der Pandemie beschäftigen, dürften für viele Menschen keine Unbekannten mehr sein. Vergleichbares gilt auch für die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christiane Falk, die Virologin Melanie Brinkmann von der TU Braunschweig und den Lungenarzt Leif Erik Sander, der an der Berliner Charité die Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung leitet.

Große Bandbreite von Positionen

Dabei reicht die Bandbreite der Positionen, die im dem neuen Gremium versammelt wurden, von Anhängern einer Null-Covid-Strategie und Befürwortern einer allgemeinen Impfpflicht bis hin zu solchen, die den Schutz vulnerabler Personengruppen in den Vordergrund stellen, ansonsten aber Infektionen mit dem Virus SARS-CoV-2 keinesfalls um jeden Preis verhindern wollen und auch eine allgemeine Impflicht gegen COVID-19 kritisch oder gar ablehnend gegenüberstehen.

Mit dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, und dem Direktor der Klinik für Kinder und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Dresden, Reinhard Berner, gehören dem Gremium nun auch zwei Experten an, welche die bisher oft vernachlässigte Perspektive von Kindern und Jugendlichen in die Beratungen einbringen dürften. Eine weitere wichtige Bereicherung für den Expertenrat dürfte auch die Berufung von Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes und Stefan Sternberg, Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, sein. Sie dürften besonders gefragt sein, wenn es darum geht, die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Empfehlungen auf kommunaler Ebene zu prüfen.

Mehr Transparenz als bei Merkel

Vor allem aber sorgt die Berufung des Expertenrates für Transparenz in der Politikberatung. Bei Angela Merkel wusste man nie genau, wer außer der Akademie der Wissenschaften Leopoldina und dem Deutschen Ethikrat, Institutionen, denen die Politikberatung gewissermaßen ins Stammbuch geschrieben ist, das Gehör der Kanzlerin fand. Und schon gar nicht, in welchem Umfang oder Ausmaß. Damit ist nun offenbar Schluss. Künftig wird für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar, was das Expertengremium rät und wo die Politik diesen Empfehlungen folgt und wo nicht.

Am Freitag will der Expertenrat bereits erneut zusammenkommen. Die rasante Geschwindigkeit mit der sich die Omikron-Variante in anderen Länder ausbreitet, unter anderem in solchen, die wie Dänemark eine deutlich höhere Impfquote (78 Prozent) aufweisen, dürfte die Experten dabei genauso beschäftigen, wie die Ankündigung, dass in Deutschland Anfang des kommenden Jahres der Impfstoff knapp werde.

Am Dienstag überraschte der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Videokonferenz der Gesundheitsminister der Länder mit der Feststellung, im kommenden Jahr werde es einen „erheblichen Impfstoffmangel“ gebe. Bei seinem Amtsantritt vor einer Woche hatte Lauterbach eine Inventur des Impfstoffs angekündigt. Das Ergebnis habe viele, ihn selbst auch überrascht. Lauterbach: „Für das gesamte erste Quartal ist viel zu wenig Impfstoff gekauft worden.“

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