„Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden. Ihr wolltet ihn – ihr kriegt ihn. Gesundheitsminister@Karl_Lauterbach!“, twitterte am Montag der designierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Tatsächlich hatten Teile der Twitter-Gemeinde den 58-Jährigen im Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie auf den Schild gehoben und unter „#wirwollenKarl“ lautstark Lauterbachs Berufung zum Bundesgesundheitsminister gefordert.
Von der Hauptschule nach Harvard
Ob Olaf Scholz gut beraten war, der Schwarmintelligenz des Internets zu folgen, muss sich erst noch zeigen. Für die Wahl des gebürtigen Düreners, der seine politische Karriere bei der CDU begann, spricht zweifellos, dass mit ihm nun ein „versierter Kenner des komplexen Gesundheitswesens“ an der Spitze des Gesundheitsministeriums steht, wie es der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, formulierte. Und auch an Fleiß mangelte es dem geschiedenen Vater von fünf Kindern nicht.
Von seinen Lehrern einst an die Hauptschule verwiesen, musste sich der Arbeitersohn erst durch das dreigliedrige Schulsystem pauken, das er seitdem ablehnt, bevor er Medizin an der RWTH Aachen und anschließend Gesundheitsökonomie an der Harvard University studierte. 2001 in die SPD eingetreten zog er für sie erstmals 2005 in den Deutschen Bundestag ein. Seitdem vertritt er dort den Wahlkreis Leverkusen – Köln IV, den er stets direkt gewann.
"Ein-Mann-Panikorchester"
Lauterbach, den Welt-Herausgeber Stefan Aust „so etwas wie ein Ein-Mann-Panikorchester“ nennt, ist ein Workaholic. Niemand weiß besser, wie hart erarbeitet die mediale Omnipräsenz ist, die der SPD-Gesundheitsexperte im Verlauf der Pandemie erreicht hat, als Journalisten. „Man kann mit Karl Lauterbach morgens aufstehen und abends mit ihm einschlafen (…) Schlaf muss ihm fremd sein“, analysiert ARD-Hauptstadt-Korrespondentin Hanni Hüsch. Doch eine Pandemie zu erklären und zu kommentieren, in deren Verlauf auch der Professor aus Köln nicht immer richtig lag, ist etwas völlig anderes als ein Ministerium zu führen und rechtzeitig die notwendigen Entscheidungen für deren erfolgreiche Bekämpfung zu treffen.
Auf übermäßige Unterstützung aus seiner Partei sollte Lauterbach, der von vielen als eigensinnig beschrieben wird und im Ruf steht, unnötig zu polarisieren, dabei nicht hoffen. 2019 scheiterte er beim Versuch, gemeinsam mit der Umweltexpertin Nina Scheer die neue SPD-Doppelspitze zu bilden. Am Ende landete das Duo mit 14,6 Prozent, abgeschlagen auf Platz vier. Sicher ist derzeit daher nur: Für sein Hobby Tischtennis dürfte Karl Lauterbach nun kaum noch Zeit finden.
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