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Lauterbach, Spahn und Drosten werden viel zu erklären haben

RKI-Files: Warum der Leak der vollständigen und ungeschwärzten Protokolle des RKI-Krisenstabs bedeutsam ist.
Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD)
Foto: via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Das Gesundheitsministerium hat sowohl unter der Leitung von Jens Spahn (CDU) als auch unter der von Karl Lauterbach (SPD) dem RKI Vorgaben gemacht, für die es keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz gab.

Nun sind sie also da: Sämtliche Sitzungsprotokolle des Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) der Jahre 2020 bis 2023. Und das völlig ungeschwärzt, inklusive Begleit- und Zusatzmaterial. Eine gewissenhafte Auswertung der mehr als 4.000 Seiten wird dauern. Zumal es wohl bei einer einzigen nicht bleiben dürfte. Erwartet werden darf vielmehr, dass den Bürgerinnen und Bürgern im Kampf um die Deutungshoheit unterschiedliche Versionen präsentiert werden, die dann ebenfalls geprüft und miteinander verglichen werden müssen. Doch am Ende wird vieles klarer, manches offensichtlich und einiges unabweisbar geworden sein.

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Bereits einige wenige Stichproben machen deutlich: Die eigentlich korrekte Vorstellung, wonach die oberste Seuchenbehörde der Bundesrepublik Deutschland der Politik aufgrund der wissenschaftlichen Auswertung sorgfältig erhobener Daten Handlungsempfehlungen vorlegt, aus denen diese dann die politisch für vertretbar gehaltenen auswählt, ist keineswegs haltbar, zumindest nicht durchgängig. Ganz offensichtlich hat das Bundesgesundheitsministerium, dem die Fachaufsicht über das RKI obliegt, sowohl unter der Leitung von Jens Spahn (CDU) als auch unter der von Karl Lauterbach (SPD) der nachgeordneten Behörde Vorgaben gemacht, für die es keine, beziehungsweise keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz gab.

RKI lernt, wie der Hase läuft

So war dem RKI zum Beispiel offenbar völlig bewusst, dass Kinder – anders als bei Grippewellen – keineswegs zu den Treibern der SARS-COV-2-Pandemie zählten und daher weder ihre massenhafte Impfung noch die Schließung von Schulen erforderlich gewesen wäre. Die Protokolle belegen ferner, dass dem RKI bekannt war, dass die Rede von der „Pandemie der Ungeimpften“ (Jens Spahn) wissenschaftlich unhaltbar und daher unredlich war. Auch das Boostern basierte demnach zunächst keineswegs auf der Empfehlung der Behörde, der die dafür erforderlichen Daten fehlten, sondern wurde offenbar zunächst von dem Bundesgesundheitsministerium und dem Pharmakonzern Pfizer ins Spiel gebracht. Auch wenn es für abschließende Urteile noch viel zu früh ist, so ist doch eines bereits jetzt klar: Karl Lauterbach, Jens Spahn und wohl auch der Virologe Christian Drosten werden sich warm anziehen müssen und viel zu erklären haben. Darunter das absichtliche Säen von Angst.

Der Leak der Protokolle durch einen Whistleblower, bei dem es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter der Behörde handeln soll, zeigt aber auch, wie das RKI, das anfangs aus wissenschaftlicher Perspektive häufiger nicht einverstanden mit der Kommunikation der Politik und der von ihr ergriffenen Maßnahmen zu sein schien, nach und nach das Regierungshandeln immer stärker selbst verinnerlicht. Soweit, dass es zum Schluss sogar Probleme damit hat, als die Politik das Ende der Pandemie ausruft.

Überragendes öffentliches Interesse

Es mag sein, dass sich durch den Leak der ungeschwärzten Protokolle, die nun erstmals auch vollständig vorliegen, jemand in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht und dagegen aufbegehrt. Wer keine Person der Zeitgeschichte ist, dem muss dies zugestanden werden. Angesichts des überragend öffentlichen Interesses sollte jedoch niemand dem Whistleblower übelnehmen, dass er sich darüber hinweggesetzt hat. Zumal auch hier gilt: An der Wahrheit ist noch niemand erstickt.

Auch hatten die politisch Verantwortlichen viel Zeit, dem nachvollziehbaren Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Überprüfung und Aufarbeitung des Pandemie-Managements nachzukommen. Schließlich haben viele von ihnen große Opfer bringen müssen. Da ist es nicht zu viel verlangt, erfahren zu wollen, ob und inwieweit diese tatsächlich erforderlich waren. Wie es scheint, waren es zumindest nicht alle. Die Politik hat ihre Chance nicht genutzt, diesem Wunsch nach Aufklärung nachzukommen. Die einfachste Erklärung dafür wäre, dass es keine weiße Weste gibt, die sich dabei präsentieren ließe. Sollte es anders sein, dürften die Protokolle auch das offenlegen. Es bleibt spannend.

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Stefan Rehder CDU Jens Spahn Karl Lauterbach SPD

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