Die Demonstrationen gegen die Null Covid-Politik der chinesischen Regierung haben weltweit für großes Aufsehen gesorgt. Steht das Regime von Xi Jinping nun einer großen Protestwelle gegenüber? Für China-Experte Alexander Görlach muss die aktuelle Lage in einen größeren Rahmen eingeordnet werden. „Der Unmut ist groß, nicht nur wegen der Null-Covid Maßnahmen.“
Bereits seit Mitte Mai dieses Jahres habe es insgesamt 735 Proteste im ganzen Land gegeben. Dies hätten Nichtregierungsorganisationen festgestellt, so Görlach im Interview mit der „Tagespost“. Die Menschen hätten Angst vor einem Wohlstandsverlust und sähen die Schuld für diese Entwicklung in der ideologisierten Politik Xi Jinpings. Das Regime werde nun in einzelnen Punkten nachgeben und Lockerungen zulassen. Gleichzeitig würden aber alle diejenigen, die protestiert haben, verfolgt und bestraft. „Peking will auf keinen Fall, dass sich die Menschen zum Protestieren ermutigt fühlen“, so Görlach, der Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Gastwissenschaftler an der New York University ist.
Xi befeuert sein ultra-nationalistisches Narrativ
Die Bewegung gegen die Pekinger Machthaber sei vorerst noch klein. Xi Jinping nutze sie aber bereits propagandistisch aus, indem er behaupte, sie seien vom Ausland gesteuert. „So befeuert er sein ultra-nationalistisches Narrativ“, nach dem auch die Außenpolitik Chinas ausgerichtet sei. Eine Strategie, die nach Görlachs Prognose zumindest bei den glühenden Anhängern des Regimes verfangen werde.
Die Politik Xi Jinpings sei durch eine totale Absage an jedwede Art von „Öffnung“ und „Reform“ charakterisiert. Neue Schlüsselbegriffe seien nun „Sicherheit“ und „Krieg“. „Sicherheit“ habe Xi Jinping 91 Mal in seiner Rede zum XX. Parteikongress erwähnt, vom „Krieg“ habe er 55 Mal gesprochen. Der Westen, aber vor allem Deutschland sei zu lange dem Trugschluss aufgesessen, durch Handelsbeziehungen das Verhältnis zu China entspannen zu können: „Aus dem chinesischen Geschichtsbild heraus ist China die Mitte der Welt.“ Das erkläre auch, warum es aus Sicht Pekings nicht so etwas wie echte Partnerschaften zu anderen Staaten geben kann.
Bundeskanzler Olaf Scholz attestiert Görlach zu wenig Mut gegenüber China. Hoffnung setze er hier eher auf FDP und Grüne. Den beiden Koalitionspartnern sei eher als der SPD zuzutrauen, dass sie eine Wende in der deutschen China-Politik einleiten. DT/sesa
Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost, welche Gefahren Alexander Görlach für Taiwan sieht. Und warum er davon überzeugt ist, dass langfristig der autoritative Totalitarismus des Regimes die wirtschaftliche Innovationskraft Chinas lähmt.