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„Bunga bunga“ und nichts gewesen

Nach elf Jahren enden die Party-Prozesse Silvio Berlusconis mit einem Freispruch.
Berlusconi in Strafprozess um "Bunga-Bunga"-Partys freigesprochen
Foto: Andrew Medichini (AP) | Rom: Forza Italia Parteichef und Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi während der Senatssitzung. Berlusconi ist im Korruptionsprozess rund um seine sogenannten "Bunga-Bunga"-Partys mit jungen Frauen vom ...

Nach elf Jahren ist Silvio Berlusconi am Mittwoch im letzten einer Reihe von drei „Bunga bunga“-Prozessen von einem Mailänder Gericht freigesprochen worden. Die Begründung des Gerichts: Das dem heute 86 Jahre alten Medien-Zar vorgeworfene Vergehen habe gar nicht stattgefunden.

In Italien liefen die drei Prozesse seit 2011 nicht unter dem Stichwort „Bunga bunga“, sondern waren mit dem Namen des leichten Mädchen verknüpft, das Berlusconi damals als „Enkelin“ des Ägypters Hosni Mubarak ausgab und aus den Fängen der italienischen Staatsanwaltschaft freipressen wollte, nachdem die Marokkanerin als Minderjährige an den schlüpfrigen Partys Berlusconis in dessen Villa in Arcore teilgenommen hatte. Ihr Name ist Karima El Mahroug, genannt „Ruby Rubacuori“ (Ruby Herzklauerin). Und nach elf Jahren ist nun der dritte Prozess, „Ruby ter“, mit einem Freispruch aller Beteiligten, die jungen Party-Damen eingeschlossen, zu Ende gegangen.

Das Bild Italiens beschädigt

Die Verteidigung stützte sich dabei auf einen Verfahrensfehler: Die Aussagen der Party-Mädchen, die auch auf der Anklagebank saßen, dienten der Staatsanwaltschaft gleichzeitig als Zeugenaussagen. Aber diese Details interessieren heute nicht mehr, nachdem Berlusconi elf Jahre lang durch einen unvorstellbaren Medien-Schlamm waten musste, als Politiker unter die Räder geriet und Millionen von Euros an seine Anwälte zahlen musste.

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Die Frage ist vielmehr: Musste es sein, dass diese „Bunga bunga“-Spielchen das Bild Italiens so beschädigt haben? Und ist es nicht so, dass eine politisierte Justiz hier ein Fall aufgebauscht hat, um einem unliebsamen konservativen, aber sehr mächtigen Mann aus dem Weg zu räumen? Immerhin hat die „Forza Italia“ jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gefordert, der das Zusammenspiel von Politik und Justiz beleuchten soll. Der Schuss könnte nach hinten losgehen. Denn als Chef mehrerer Regierungen war sich auch Berlusconi nicht zu schade, nach Bedarf Gesetze auf den Weg zu bringen, die seinem Medien-Imperium „Mediaset“ zumindest nicht geschadet haben.

Wenn die Justiz politisch ist

Was den Mann auf der Straße aber wirklich aufregt, ist die Tatsache, dass die Justiz elf Jahre braucht, um über ein nicht gerade mysteriöses Vergehen Recht zu sprechen und dafür mit drei Prozessen durch alle Instanzen zu gehen. Berlusconi lebt noch. Aber es hätte ihm auch wie vielen Italienern gehen können, die das Ende ihres zivilen oder eines Strafprozesses nicht mehr erleben, weil die Mühlen der Gerichte des Landes unendlich langsam mahlen. „Bunga bunga“ hat über Jahre das Bild von der italienischen Politikerkaste geprägt – auch im Ausland. Alle Regierungen der letzten Jahre und Jahrzehnte sind mit dem Versprechen angetreten, das Justizwesen zu reformieren. Geschehen ist gar nichts.

Doch das ist nicht nur eine Frage von Reformgesetzen. Es ist auch eine Frage der politischen Kultur: Immer noch ist es in Italien gang und gäbe, dass eine politisierte (linke) Richterschaft ideologische Gegner in der Politik ausschalten will. So ging schon in den frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Erste Republik zugrunde. Mit ihrer stabilen Mehrheit könnte die neue Regierungschefin Giorgia Meloni eigentlich eine Wende einleiten. Eine Legislaturperiode von fünf Jahren sollte ausreichen, um den Gerichten eine Justiz zu verschaffen, bei der tatsächlich „vor dem Gesetz alle gleich“ und nicht einige „gleicher“ sind.

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