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Bundestag beschließt umstrittenes „Triage-Gesetz“

Krankenhäuser müssen Zuteilungsentscheidungen an Landesbehörden melden – Bundesgesundheitsministerium zur Evaluation verpflichtet.
Notaufnahme am Uniklinikum Leipzig
Foto: Jan Woitas (dpa) | Die auch „Triage-Gesetz“ genannte Gesetzesvorlage sieht vor, dass die Entscheidung über die Zuteilung nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten nur nach der ...

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagabend in Zweiter und Dritter Lesung ein teils heftig und von vielen Seiten aus unterschiedlichen Gründen kritisiertes Gesetz abschließend beraten, das für den Fall nicht ausreichender intensivmedizinischer Ressourcen im Rahmen von Pandemien die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verhindern soll. Bei der namentlichen Abstimmung stimmten 366 Abgeordnete für das vom Bundeskabinett vorgelegte „Zweite Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“. 284 stimmten dagegen, fünf enthielten sich. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, AfD und Linke lehnten das Gesetz ab.

Kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit als Kriterium

Die auch „Triage-Gesetz“ genannte Gesetzesvorlage sieht vor, dass die Entscheidung über die Zuteilung nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten nur nach der „aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit“ der betroffenen Patienten getroffen und niemand wegen einer Behinderung, des Alters, des Grades der Gebrechlichkeit, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf.

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Die Entscheidung über die Zuteilung müssen zwei erfahrene Fachärzte der Intensivmedizin unabhängig voneinander treffen. Zudem werden die Krankenhäuser verpflichtet, erfolgte Zuteilungsentscheidungen der zuständigen Landesbehörde zu melden.

Verbot der Ex-Post-Triage und Pflicht zur Evaluation

Des weiteren schließt das Gesetz die Vornahme sogenannter Ex-Post-Triagen aus. Damit soll sichergestellt werden, dass Patienten, bei denen eine intensivmedizinische Behandlungen begonnen wurde, diese nicht mehr entzogen werden darf, wenn ein später aufgenommener Patient eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit besitzt. Dies war von Ärztefunktionären bei der Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses im Laufe des Gesetzgebungsverfahren massiv kritisiert worden.

Wie es in der Begründung des Gesetzes heißt, bleiben sogenannte Therapiezieländerungen, einschließlich des Abbruchs einer intensivmedizinischen Behandlung, weiterhin möglich, etwa wenn mit dieser das anvisierte Therapieziel nicht erreicht wird, oder der Patient seine Meinung ändert. Ferner verpflichtet das Gesetz das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die neue Regelung zu evaluieren zu lassen. Konkret schreibt das Gesetz dem BMG vor, binnen sechs Monaten, nachdem erstmals eine entsprechende Zuteilungsentscheidung bei einer Landesbehörde eingegangen ist, eine externe Überprüfung des Gesetzes in Auftrag zu geben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 (1 BvR 1541/20) eine gesetzliche Regelung der Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen zur Aufgabe gemacht, die ausschließen soll, dass Menschen mit Behinderungen dabei aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt werden.  DT/reh

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